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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Aufklärers entsprechend, das Einsatzgelände in verschiedenen Sandkästen nachgeformt worden. Ein Major, den sie noch nie zuvor gesehen hatten, erläuterte die Aufgaben, die von den drei Gruppen zu lösen waren. Dann zogen sie getrennt auf ein Übungsgelände, das annähernd dem Einsatzgebiet entsprach. Sie exerzierten zwei Tage, dann empfingen sie Ausrüstung und weiße Kleidung. Der Einsatz-Befehl wurde ausgegeben, und Leutnant Alf fuhr, noch bevor die Maschinen starteten, zurück nach Haselgarten.
    Fünf Männer starteten mit der Aufgabe, am Rande einer Verbindungsstraße Posten zu beziehen und ein Stabsfahrzeug abzufangen. Diese Aktion zielte auf die Gefangennahme eines Stabsoffiziers, weil man Informationen über die Angriffsabsichten aus ihm herausholen wollte.
    Eine zweite Gruppe von fünf Männern, unter denen sich zwei Eisenbahner befanden, hatte die Besatzung des Befehlsstellwerks auf einer kleinen Bahnstation, an der sich zwei Strecken kreuzten, zu überrumpeln, mit dem Ziel, den Zusammenstoß zweier Transportzüge herbeizuführen.
    Die letzte Gruppe schließlich, zu der auch Bindig und Zado gehörten und die von Timm geführt wurde, hatte ein unübersichtliches Waldgebiet nach einem gut getarnten Munitions-lager abzusuchen und nach Lösung dieser Aufgabe mit Hilfe der fünf Minen, die sie mitführte, eine Anzahl Fahrzeuge zu vernichten.
    Es war zum erstenmal, daß zu gleicher Zeit drei Gruppen in verhältnismäßig geringer Entfernung voneinander zu solchen Aufgaben eingesetzt waren. Die Männer waren darüber verärgert, denn jeder wußte, daß nur eine Aktion Aussicht auf Erfolg hatte, an der möglichst wenig Personen beteiligt waren.
    Es war eine kalte, klare Sternennacht, als sie starteten. Der Wind fegte dünnen, körnigen Schnee über den Flugplatz, und die Männer schlossen die Kombinationen und zogen dünne, seidene Kopf- schützer unter die Helme. Sie hatten weiße Überkleidung angelegt. Helme und Lederzeug, Waffen und Ausrüstungsgegenstände waren mit weißer Farbe überspritzt. Die beiden Maschinen stiegen schnell auf einige tausend Meter Höhe und drehten dann ostwärts ab. Die drei Gruppen wurden dicht beieinander in einem einsamen Waldgebiet abgesetzt, in dem es eine Anzahl Seen und Wasserläufe gab.
    Die Männer rollten schweigend ihre Schirme zusammen und verscharrten sie. Die Minen und ein paar andere Geräte wurden aus den Behältern genommen und verteilt. Dann tauchten die weißen Gestalten, die sich kaum von der Schneelandschaft abhoben, ins Dunkel unter den Bäumen. Es war kein Laut zu hören, und die buschbewachsene Schneefläche, auf der die Landung vor sich gegangen war, lag still wie zuvor. Aber der Himmel hatte sich mit einer schweren, tief hängenden Wolkenschicht überzogen, und eine Stunde später fiel Schnee.
    Wenn Bindig den Zweig, der vor seinem Gesicht hing, ein wenig beiseite zog, konnte er den Posten sehen, der unter dem „Pilz" stand. Es war ein kleiner untersetzter Soldat mit einem breiten, mongolisch anmutenden Gesicht und schräg stehenden Schlitz-augen. Er war nur einen schwachen Steinwurf von Bindigs Versteck entfernt, und Bindig war ihm nur deshalb nicht in die Arme gelaufen, weil der Mann eine dicke, mit Zeitungspapier gedrehte Machorkazigarette rauchte, deren Geruch Bindig früh genug wahrgenommen hatte.
    Er war müde. In den letzten Stunden der Nacht war er nur langsam, Schritt für Schritt vorwärts gekommen. Der Schneefall war gegen Morgen geringer geworden. Dafür aber hatte die Kälte zugenommen. Und obwohl es hieß, daß die Kombination, die er trag, wasserdicht sei, fror er, denn es war zuviel Schnee auf dem Stoff geschmolzen und wieder erstarrt. Das Gewebe war steif und zäh. Bindig war versucht, aufzuspringen und durch ein paar schnelle, schlagende Bewegungen das ekelhafte Gefühl der Kälte wenigstens für ein paar Minuten zu vertreiben. Aber er blieb doch bewegungslos hinter dem schneebedeckten Ast liegen, denn da vorn stand der Posten, und dieser Posten war in einen dicken Steppmantel gehüllt, der ihn wärmte. Er trug eine Pelzmütze mit lose herabhängenden Ohrenklappen, und er war hellwach, man sah es an seinen Bewegungen.
    Sie haben einen „Pilz" für ihn gebaut, dachte Bindig. Das tun sie da, wo sie sich für längere Zeit fest einrichten. Es ist also ein Posten, keine Streife. Aber bewacht er nun das Lager oder nicht? Denn wenn er einer von den Lagerposten ist, dann müßte man das Lager sehen können. Er zog den Zweig so weit fort, daß

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