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Die Stunde Der Vampire

Die Stunde Der Vampire

Titel: Die Stunde Der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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wollen.«
    Verdammt, wenn er mir Fragen stellte, würde ich wahrscheinlich fluchen und ihn beschimpfen. Ich wusste nicht, wie viel Selbstbeherrschung ich im Laufe der nächsten Stunde aufbringen könnte – gewiss nicht genug, um ein zusammenhängendes Interview zustande zu bringen. Am liebsten hätte ich einfach nur geschrien. Doch mit ihm handeln konnte ich nicht. Ich wollte ein Mikrofon, und wenn das der Weg war, um eines zu bekommen, na bitte. »Schön, okay.«

    Er schürzte die Lippen und nickte. »Na gut. Wir werden es machen.«
    Ich hatte das Gefühl, vor Erleichterung dahinzuschmelzen. Die Nacht war noch nicht vorüber, aber ich war wieder am Zug. Jedenfalls ein bisschen.
    Â»Rufen Sie bei meinem Radiosender an«, sagte ich, »und sprechen Sie mit dem Programmchef, Ozzie. Er wird sich um den ganzen rechtlichen Kram kümmern.« Ich gab ihm Ozzies Telefonnummer und betete die Liste an Equipment herunter, die ich zu brauchen glaubte. Einen CD-Player, Creedence Clearwater Revival und sämtliche anderen CDs, die er auftreiben konnte, eine Ausgabe von Londons Ruf der Wildnis , und …
    Â»Ein Rumpsteak?« Stockton starrte mich entgeistert an, bevor er es aufschrieb.
    Â»Das wird sie ein wenig bei Laune halten, vertrauen Sie mir.« Sollte er sich ruhig den Kopf über diese Formulierung zerbrechen.
    Stockton beriet sich mit seiner Crew und wandte sich dann wieder mir zu. »Ich werde in zwanzig – nein, fünfzehn Minuten wieder da sein. Fangen Sie nicht ohne mich an.«
    Â»Würde mir nicht im Traum einfallen.«
    Flemming sah besorgt aus. »Was soll das Ihrer Meinung nach bezwecken?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Mir war schwindelig. »Keine Ahnung. Ist mir egal. Es ist bloß schön, etwas zu tun.«
    Ich hätte nicht dort sein sollen. Ich hätte wirklich nicht dort sein sollen. Genauer gesagt hätte mein Leben eigentlich ganz anders verlaufen sollen. Noch vor wenigen Jahren,
als Kind von Yuppies, hatte ich ein beschauliches, geregeltes Leben vor mir gehabt: ein passabler Abschluss an einer passablen Universität, ein passabler Job – vielleicht beim Radio, aber wahrscheinlich etwas von neun bis fünf, wie zum Beispiel im Vertrieb. Heirat, Kinder, ein Häuschen in einer Siedlung in der Prärie und ein Golden Retriever, der im Garten hinter dem Haus dem Ball nachjagte. Genau wie all die anderen Mädchen.
    Dann geschah der Angriff, und die Wölfin kam, und auf einmal konnte nichts je wieder normal sein. Es würde nie einen Golden Retriever im Garten hinter dem Haus geben – Hunde hassten mich jetzt. Sie witterten, was ich war.
    Dennoch erklärte das alles nicht, wie ich immerzu in diese Situationen geriet. War ich zu jung, um mich zur Ruhe zu setzen? Mir einen netten, ruhigen Job irgendwo in der Buchhaltung zu suchen?
    In Vollmondnächten kostete es mich erst Schmerzen, Menschengestalt beizubehalten, und dann war es unmöglich. Die Wölfin musste frei sein, losgelassen werden, und wenn sie sich den Weg nach draußen mit Gewalt schaffen musste, würde sie es tun. Es war so viel leichter, es einfach ohne Widerstand geschehen zu lassen.
    Das konnte ich nicht tun, nicht heute Nacht. Musste so lange wie möglich Mensch bleiben, durfte nicht die Beherrschung verlieren, musste wissen, was vor sich ging. Darin hatte ich schon Übung. Ich saß still da, rührte mich nicht, atmete langsam. Nur noch ein bisschen länger, Mädchen.
    Es gab ein paar Kniffe, mit denen sich die Wölfin in Schach halten ließ. Bach zu summen, während ich an
Brokkoli dachte. Mein Summen wurde immer fieberhafter, und dennoch drehte sich mir der Magen um. Die schmale Grenzlinie zwischen Mensch und Tier wurde allmählicher immer schmaler. Sobald sie verschwand, wäre ich nicht mehr da.
    Ich musste auf meiner Seite der Linie bleiben. Ich stellte mir vor, wie sie dicker wurde. Ich musste dafür sorgen, dass sie nicht verschwand.
    Â»T.J., ich wünschte, du könntest mir beistehen.«
    Ich wusste noch genau, wie er mich gehalten hatte, wenn mein innerer Kampf losging. Verlier nicht die Beherrschung , flüsterte er dann. Braves Mädchen.
    Verlier nicht die Beherrschung.
    Die Linie blieb sichtbar. Ich war weiterhin ein Mensch. Ich holte tief Luft und hatte das Gefühl, ein wenig fester in meiner Haut zu sitzen.
    Stockton kehrte in weniger als einer halben Stunde zurück; nicht so schnell wie versprochen,

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