Die Stunde Der Vampire
befreien zu können.
Die sogenannte Kirche wies groÃe Ãhnlichkeiten mit einer Sekte auf. Wenn seine Gefolgsleute einmal geheilt waren, verlieÃen sie ihn nie. Sie reisten in einer Karawane mit ihm kreuz und quer durch das Land auf der Suche nach wahren Gläubigen, die vollkommen loyal waren, wie es die beiden Werwölfe zu sein schienen. Meine Informantin hatte gesagt, er sei tatsächlich in der Lage, sie zu heilen: Vampire konnten bei Tageslicht herumspazieren, Werwölfe
mussten sich nie mehr verwandeln. Doch nur, wenn sie für immer bei ihm blieben. Für manche mochte das EinbüÃen der eigenen Freiheit vielleicht kein zu hoher Preis gewesen sein. Das Problem bestand darin, dass Smith ihnen nicht im Vorhinein sagte, welchen Preis es zu entrichten galt.
Was konnte er dem Ausschuss erzählen? Wozu war er hier?
»Wie zur Hölle haben sie ihn dazu gebracht auszusagen?« Soweit ich wusste, waren die wenigen Polizisten, die versucht hatten, gegen ihn zu ermitteln, nicht an ihn herangekommen. Nichts brachte Smith dazu, sein Gelände zu verlassen, und seine Gefolgsleute verteidigten ihn wie eine Armee. Jeffrey schüttelte den Kopf.
Da meldete sich Ben zu Wort. »Es geht das Gerücht um, Duke habe seiner Kirche offizielle Anerkennung und Steuerfreiheit angeboten. Dann kann er anfangen, Geldspenden einzusammeln.«
»Kann Duke das tun?«
»Es bedarf im Grunde nur eines Antrags beim Finanzamt«, sagte Ben, »aber vielleicht weià Smith das nicht. Oder vielleicht kann Duke den Antrag beschleunigen.«
Setzte das nicht allem die Krone auf?
Jeffrey betrachtete Smith geistesabwesend mit gespitzten Lippen. Einen Augenblick später sagte er: »Ich mag ihn nicht. Ich glaube nicht, dass er ein Mensch ist.«
Ich sah ihn scharf an. »Vampir?«
»Nein, ich glaube nicht. Es ist etwas anderes. Dichter. Wäre es zu melodramatisch, wenn ich sagte, dass er böse aussieht?«
Da war ich ganz einer Meinung mit ihm. Meine derzeitige
Lieblingstheorie bezüglich Smith lautete, dass er eine Art spiritueller Vampir war. Anstatt sich von Blut zu ernähren, verzehrte er die Hingabe, Ehrfurcht und Anbetung der Menschen. Er heilte seine Anhänger nicht; vielmehr verfügte er über die Macht, ihre Schwächen zu unterdrücken, die Verwundbarkeit durch Sonnenlicht und das Bedürfnis, eine andere Gestalt anzunehmen. Meine Bekannte, ein Vampir namens Estelle, hatte sich für geheilt gehalten, doch als sie Smiths Karawane verlieÃ, kehrte ihr Leiden zurück. Sie verbrannte wieder im Sonnenschein. Er war so mächtig, dass er Vampire und Lykanthropen unter seine Kontrolle bringen konnte, und so böse, dass er sie benutzte.
Ich wusste nicht genug, um zu erraten, was er war, besonders wenn Jeffrey recht hatte und er kein Mensch war.
Jeffrey sagte zuerst aus. Er lächelte mir zu und streckte den Daumen in die Höhe, bevor er an den Tisch trat. Falls er einen Anwalt bei sich hatte, gab sich dieser nicht zu erkennen. Er hatte ein vorbereitetes Statement und sprach sorgfältig, und ohne bedrohlich zu wirken, von der Notwendigkeit, dem Fremden auf der Welt und Geheimnissen, die wir nicht verstanden und vor denen wir vielleicht Angst haben mochten, offen gegenüberzutreten. Er vertrat den Glauben, dass das Universum im Grunde gut sei, und dass wir mit Wissen und Verständnis belohnt würden, falls wir mit dieser Einstellung an jede neue Begegnung mit dem Unbekannten herangingen. Für meinen Geschmack klang das Ganze ein bisschen zu metaphysisch und New-Age-mäÃig. Offensichtlich war er noch nie mitten in der Nacht einem hungrigen Werwolf über den Weg gelaufen.
Am Ende einer solchen Begegnung standen nicht allzu viel Wissen und Verständnis.
Entweder brachte ihm der Fernseh-Promi-Status Respekt vonseiten der Senatorenrunde, oder Jeffrey gelang es einfach, sie mithilfe seines Charismas und seiner Liebenswürdigkeit für sich zu gewinnen. Er behandelte sie wie das Publikum bei einer Talkshow, bezog sie mit ein und erzählte Witze.
Er tat, weswegen Duke ihn wahrscheinlich herzitiert hatte: Er bezeugte die Existenz des Ãbernatürlichen, jedenfalls seines eigenen kleinen Zweiges. Noch vor zwei Monaten hätte jeder halbwegs vernünftige Mensch Jeffrey bestenfalls als New-Age-Spinner und schlimmstenfalls als manipulativen Scharlatan abgetan. Doch in diesem Kontext, diesem neuen Bezugsrahmen, in dem Vampire real waren, musste
Weitere Kostenlose Bücher