Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1
Augenhöhe waren. »Sag mir die Wahrheit.«
»Du weißt, dass ich dir die Wahrheit sage. Wenn ich einem Menschen gegenüber ehrlich sein kann, dann dir. Und nicht nur, weil du einen eingebauten Lügendetektor hast.« Ich stützte das Kinn auf. »Die Wahrheit ist, dass ich es nicht weiß. Ich dachte, ich hätte mehr Zeit, um mich vorzubereiten.«
»Bist du sicher, dass du’s tun willst?«
»Was sagt dir dein eingebauter Lügendetektor?«
»Dass du es willst.«
Ich nickte.
»Nun, da du sowieso zurückreist, diese CD-ROM in der durchsichtigen Hülle, die Cat erwähnt hat …«
»Ja?«
»Die Formel für mein Medikament ist mit dem Labor in Flammen aufgegangen.«
Ich musterte Kaleb genauer. Um seine Augen entdeckte ich winzige Fältchen; die Linien um den Mund waren tiefer als noch zwei Tage zuvor. »Du hast gesagt, dein Dad hätte kurz vor seinem Tod einen Vorrat für dich hergestellt. Wie lange hast schon nichts mehr eingenommen?«
»Ich hab schon eine ganze Weile eine geringere Dosis geschluckt. Vor ein paar Wochen waren die Tabletten dann alle. Richtig schlimm ist es erst heute geworden, jetzt, da sich alles so zugespitzt hat.« In den letzten paar Stunden waren die Emotionen hochgekocht, und Kaleb war ihnen ausgesetzt gewesen ohne eine Möglichkeit, sie zu filtern.
»Warum hast du keinem was gesagt?«
»Was hättet ihr denn tun sollen?« Er zuckte die Achseln.
»Ich hol dir das Rezept. Wo kann ich es finden?«
»In seinem Schreibtisch. Rechts. In der untersten Schublade. Es ist in einem Hängeordner mit meinem Namen drauf. Sieht genauso aus wie die CD mit seinen Forschungsergebnissen.«
»Sonst noch was, was ich dir mitbringen soll?«
»Nur meinen Dad.«
Ich sah die tiefe Traurigkeit in seinen Augen und konnte nur ahnen, wie schwer das alles für ihn sein musste. »Hast du deshalb meine Gefühle so deutlich spüren können, als wir uns kennen gelernt haben? Weil du keine Filtermöglichkeit hattest?«
»Ja. Aber…« Er blickte zu Boden, und seine langen Wimpern warfen dunkle Schatten auf seine Wangenknochen. Von dem verspielten, sexy Kaleb war nichts mehr zu sehen. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mich so oder so mit dir verbunden gefühlt hätte.«
Mir fiel keine angemessene Antwort auf diese Aussage ein. Auf der Suche nach den richtigen Worten fragte ich: »Ähm … sag mal, denkt eigentlich jeder, dass es Landers war, der deinen Vater umgebracht hat?«
»Es gab keine anderen Verdächtigen«, erwiderte er, anscheinend dankbar für den Themenwechsel. »Die Polizei hat ein paar Leute befragt, aber sie fanden keine logische Erklärung für das Feuer, also haben sie es schließlich als Unfall bezeichnet.«
»Wurde Landers verhört?«
»Kurz«, schnaubte Kaleb. »Er hatte ein absolut wasserdichtes Alibi.«
»Ich hab Unmengen von Krimis verschlungen. Alibis können auch vorgetäuscht sein.«
»Die Polizei hätte nicht beweisen können, dass er es war. Sie ahnen nicht mal was von Organisationen wie Hourglass – wie hätten wir seine Motive deutlich machen sollen?«
»Ich mach mir Sorgen.«
»Ich weiß«, sagte er und gab sich keine Mühe, sein Grinsen zu verbergen.
Ich boxte auf seinen gewaltigen Bizeps ein. »Sag mir nicht, dass Michael nicht versucht, den Mord an deinem Vater aufzuklären, wenn wir in die Vergangenheit reisen.«
»Okay«, sagte Kaleb und zog die Brauen hoch. »Dann erzähl ich’s dir eben nicht.«
»Aber …« Ich deutete auf den Zeitplan auf meinem Schoß, auf dem es keinen Platz für Abweichungen gab.
»Er wird nichts tun, das dich gefährdet. Falls er die Möglichkeit hat, den Täter zu stellen, wird er sie ergreifen. Aber nicht, wenn es dich in Gefahr bringt.« Kaleb nahm meine Hand und strich mit dem Daumen über meine Fingerknöchel. »Er wird gut auf dich aufpassen. So ist Michael.«
»Ich mach mir keine Sorgen um mich.«
»Ich schon.« Er strich mein Haar zurück, und ich erstarrte. Die Zärtlichkeit seiner Berührung warf mich aus der Bahn. »Ich möchte, dass du heil zurückkommst.«
Ich fragte mich, welche Art von Gefühlen Kaleb nun bei mir spürte. Vielleicht konnte er mir helfen, sie einzuordnen.
»Em?«, rief Michael und löste die Spannung. Ich ließ Kalebs Hand los, sprang auf und wäre fast über meine eigenen Füße gestolpert. Natürlich machte sich Kaleb über mich lustig, aber ich tat, als würde ich sein Gelächter nicht hören.
»Hey«, sagte ich zu Michael, als ich mit brennend heißen Wangen in die Küche trat. »Wolltest du
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