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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Engeln.
    Hausdiener war eine gute Tarnung, als Hausdiener wirkte man völlig harmlos. Selbst Mafiabosse arbeiteten als Stallmeister oder Hausverwalter bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, um ihre wahre Tätigkeit zu tarnen und die jeweiligen Persönlichkeiten gleichzeitig zu kontrollieren. Für Laura gab es zwei Möglichkeiten: Entweder gehörte der vermeintliche Straßenhändler und Hausdiener zu den Kunsträubern, hinter denen Tuttoverde her war, oder er war Polizist.
    Macht es mir Spaß, das alles zu denken? Oder läuft das automatisch ab? Bin ich eine automatische Kommissarin? Ein bisschen zwanghaft? Die mit ungelösten Fällen kämpft, weil es inzwischen meine zweite Natur geworden ist? Und was ist die erste? Oder liegt es daran, dass ich mich zu sehr mit Angelo und seiner Suche nach den Ängsten seiner Jugend verbunden fühle? Nicht zu sehr verbunden, einfach verbunden, auf ganz natürliche Weise verbunden. Ich kann verstehen, dass er wissen will, was ihn damals beunruhigt hat. Ich will es auch wissen, weil ich ihn dann besser verstehen kann.
    Laura ließ sich in den Sand fallen und streckte sich aus. Als sie nach einer Weile den Kopf zur Seite wandte, sah sie zwei lange dünne Beine in Jeans. Die Beine knickten ein, und Teo setzte sich neben sie, nahm eine Handvoll Sand auf und ließ ihn durch seine Finger rieseln.
    Laura empfand seine Gegenwart nicht als bedrohlich, wartete einfach ab. Der Sand war an der Oberfläche warm und weich, darunter verbarg sich feuchte Kühle.
    «Was wollten Sie von Signor Ferruccio?» Seine Stimme klang sanft und kehlig. Er sah Laura nicht an, betrachtete nachdenklich den Sand und grub darin herum, bis er auf eine dunklere Schicht stieß.
    «Ich wollte einen berühmten Dichter kennenlernen.»
    «Nein, das wollten Sie nicht.»
    «Was wollte ich dann?»
    «Sie wollten wissen, wer ich bin und warum ich bei Ferruccio wohne und arbeite.»
    Sein Italienisch war hervorragend, diesmal akzentfrei. Bereits bei ihrer ersten Begegnung war es nicht schlecht gewesen, aber damals hatte er Akzente eingemischt, die ihn als wandernden Händler glaubwürdig machten.
    «Weshalb sollte ich mich dafür interessieren, wer Sie sind?»
    «Weil Sie eine gute Polizistin sind.»
    Laura widerstand dem Impuls sich aufzusetzen, blieb einfach liegen, antwortete nicht, nahm aber aus den Augenwinkeln wahr, dass er lächelte.
    «Tuttoverde hat mir gesagt, dass Sie eine deutsche Polizistin sind und Ihr Freund ein Commissario. Ich hatte mich schon damals am Strand über Ihre Fragen gewundert.»
    Laura antwortete noch immer nicht. Die Lösung dieses Rätsels erschien ihr zu einfach.
    «Die Ermittlungen werden eingestellt», murmelte er. «Das wollte ich Ihnen sagen. Deshalb wollte ich Sie fragen, ob Sie die Sache in Deutschland weiterverfolgen könnten? Sie kennen diese Situation vielleicht?»
    Langsam setzte Laura sich auf und streifte den Sand von den Ärmeln ihres Pullovers.
    «Ich weiß nicht, wovon Sie reden.»
    Wieder lächelte er.
    «Auch das beweist, dass Sie eine gute Polizistin sind.»
    «Falls Sie irgendeine Antwort von mir hören wollen, müssen Sie mir erst Ihren Dienstausweis zeigen.»
    «Beh, Sie wissen doch genau, dass verdeckte Ermittler keine Ausweise mit sich herumtragen! Es wird Ihnen nichts anderes übrigbleiben, als mir zu vertrauen. Auch wenn ich schwarz bin.»
    Ja, dachte Laura. Da ist es wieder. Es ist wahr, und sein Schwarzsein ist gleichzeitig ein Instrument, auf dem er spielen kann.
    «Weshalb hat man Sie als Ermittler eingesetzt? Sie sind ziemlich auffällig.»
    «Genau deshalb. Niemand rechnet mit einem schwarzen verdeckten Ermittler. Nicht einmal Sie, hab ich recht? Schwarze gehen ohne Probleme durch. Als Straßenkehrer, Hausdiener, Händler, Küchenhilfen. Gefallen Ihnen die Ohrringe, die Sie von mir gekauft haben?»
    «Sind Sie Zyniker?»
    «Nein, Realist.»
    «Okay.»
    «Nehmen Sie das Risiko auf sich?»
    «Vielleicht.»
    «Warum? Weil Sie keine Rassistin sein wollen?»
    «Noch so ein Satz, und ich werde das Risiko nicht eingehen! Klar?»
    Teo nickte, warf eine Handvoll Sand ins Wasser.
    «Ich wollte nur testen, wie echt Sie sind.»
    «Wissen Sie’s jetzt?»
    Er zuckte die Achseln.
    «Ich nehme es an. Also zur Sache! Ich hab was dagegen, mitten in der Arbeit aufhören zu müssen. Es kommt verdammt zu häufig vor! Dass Sie hier sind, könnte hilfreich sein. Ist es wirklich Zufall, oder ermitteln die Deutschen auch?»
    «Nein.» Laura entfuhr ein so tiefer Seufzer, dass er

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