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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Kunstwerke wieder ein und versteckte den Karton unter seinem Bett. Schlafen. Und dann einen Plan.
     
    «Lass uns heute Abend essen gehen. Wir fahren einfach in der Gegend herum und suchen uns ein Restaurant, bene?» Guerrini ging schon eine Weile am Saum der Brandung auf und ab. Laura sah ihm dabei zu und fragte sich, warum er so unruhig war. Bis vor wenigen Minuten hatte sie die wohlige Wärme der Sonne und des Sandes genossen. Dann war es plötzlich kühl geworden, die Sonne hing ganz knapp über den Bergen von Elba und würde bald verschwunden sein. Die grauen Wolkenfahnen färbten sich bereits rötlich, wie Rauch über einem Waldbrand. Kälte schien aus den tieferen Schichten des Sandes und aus dem Meer zu strömen. Laura fröstelte, setzte sich auf und kämmte mit den Fingern den Sand aus ihren Haaren.
    «D’accordo.» Sie sagte es nicht sehr laut.
    «Was hast du gesagt?» Wie ein Schattenriss stand er im Gegenlicht.
    «Ich habe gesagt, dass ich einverstanden bin. D’accordo! Übrigens habe ich jetzt schon Hunger!» Sie fühlte sich unsicher. Seit ihrem letzten Treffen im August hatte Angelo sich verändert. Er kam ihr beinahe launisch vor, reizbar. Ich werde ihn fragen müssen, warum das so ist, dachte sie, umschlang ihre Knie mit beiden Armen und beobachtete, wie das flammende Rot der Wolken jetzt auch über die Wellen wanderte. Aber nicht jetzt. Später werde ich ihn fragen.
    «Allora vieni, diventa freddo!» Angelos Schattenriss winkte ihr zu. Laura dachte an das imaginäre Tennisspiel und hatte wie am Morgen das dringende Bedürfnis zu rennen, zu spüren, dass sie wirklich da war. Sie sprang auf und lief los. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, dass er ihr folgte. Beinahe gleichzeitig kamen sie bei den großen Betonquadern an der Flussmündung an.
    «Glaubst du, wir sind ein bisschen verrückt?», keuchte Guerrini.
    «Ja. Gott sei Dank!», erwiderte Laura aus vollem Herzen. «Und hoffentlich werden wir auch nie normal!»
     
    Eine halbe Stunde später machten sie sich auf den Weg. Der Himmel war jetzt grellrot, die Erde beinahe schon schwarz. Die Arbeiter des Resorts hatten die schmale Straße von Ästen und umgestürzten Baumstämmen freigeräumt. Als Guerrini und Laura die Einfahrt erreichten, gab es keine Schranke mehr. Der gewaltige Stamm der gefallenen Pinie versperrte noch immer einen großen Teil des halbrunden Platzes vor dem Wärterhäuschen. Nur die großen Äste hatte man abgesägt. Als die Scheinwerfer des Lancia über den Stamm streiften, dachte Laura: Sieht aus wie amputiert. Der Körper eines Riesen, dem man die Arme abgeschnitten hat. Sie sah den Armstumpf des unbekannten Toten vor sich und fröstelte.
    Als Guerrini langsam am Wärterhäuschen vorüberrollte, winkte Fabrizio mit beiden Armen, und gleich darauf trat ein Polizist neben ihn, der ihn aufforderte anzuhalten. Guerrini ließ sein Fenster herunter, Fabrizio stürzte herbei. «Scusa, Dottore. Es tut mir so leid. Sie haben ja mit der ganzen Sache nichts zu tun, aber die Polizei … die ist der Meinung, dass jeder, der Il Bosco verlässt oder hineinfährt, überprüft werden muss. Und außerdem muss man jeden fragen, ob er den Wagen da drüben kennt, Dottore. Es tut mir wirklich leid …»
    Fabrizio wurde von dem Polizisten zur Seite geschoben. Der Beamte der Polizia Stradale hatte sich inzwischen verdoppelt, neben ihm stand jetzt ein Carabiniere. Beide beugten sich zum offenen Wagenfenster herab, der Carabiniere leuchtete mit einer Taschenlampe genau in Lauras Gesicht. Sie wandte sich ab und schützte mit einer Hand ihre Augen.
    «Scusate, Signori, aber würden Sie beide bitte aussteigen und sich ausweisen. Wir haben ein paar Fragen an Sie. Es wird nur ein paar Minuten dauern.»
    Die Beamten traten zurück, um Guerrini Platz zu machen, ließen ihn aber keinen Augenblick aus den Augen. Langsam stieg der Commissario aus und ließ die Wagentür sanft hinter sich einschnappen.
    «Was gibt’s?» Er sah sich nach Laura um. Sie umrundete den Lancia und stellte sich neben ihn.
    «Es tut uns wirklich leid, dass wir Sie aufhalten müssen, Signori, aber letzte Nacht ist dieser Baum hier …», der Carabiniere wies auf den Pinienstamm, «… auf einen Lieferwagen gefallen, der offensichtlich auf dem Weg ins Resort war. Der Fahrer wurde schwerverletzt ins Krankenhaus von Grosseto eingeliefert. Er hatte keine Papiere bei sich, und heute Morgen war er nicht mehr da.»
    «Erstaunlich!» Guerrini hob die Augenbrauen.
    «Ja, erstaunlich.

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