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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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hatte seine Aussage zu Protokoll gegeben, und sie hatten ihn danach sogar zu einer Tasse Kaffee eingeladen. Dann durfte er wieder gehen. Kein Grund zur Beunruhigung also. Jedenfalls nicht von dieser Seite.
    Die Anderen hatten sich noch immer nicht gemeldet. An diesem Morgen achtete Orecchio sehr genau darauf, wer das Resort verließ und wer hineinfuhr, außerdem machte er eine Liste aller derzeitigen Bewohner.
    Da waren die beiden Schweizer, Männer mittleren Alters. Denen gehörte schon seit über zehn Jahren eine Villa am Strand. Das hatte Fabrizio erzählt, und der arbeitete schon seit zwanzig Jahren im Resort. Das Haus der Schweizer war keine der besonders protzigen Villen, eher unauffällig. Sonst wusste Orecchio nichts von den beiden Männern – weder, welchen Berufen sie nachgingen, noch, ob sie verheiratet waren oder sonst was. An diesem Morgen hatten sie Il Bosco um halb neun verlassen und ihm dabei freundlich zugewinkt. Der Deutsche, der das Haus neben den Schweizern besaß, war offenbar nur zum Einkaufen gefahren, denn er kehrte genau nach einer halben Stunde zurück und fragte, ob Post für ihn da sei. Aber die Post kam nie vor zwei Uhr, und am Tag zuvor hatte es gar keine gegeben, des Sturmes wegen. Den Deutschen konnte Orecchio nicht einschätzen. Er war Mitte oder Ende dreißig, ziemlich höflich. Wahrscheinlich was Besseres. Aber das waren die ja alle hier, auch wenn manche nicht so höflich taten.
    Eines der Häuser von Conte Colalto war vermietet. Da wohnte ein Italiener mit seiner Frau oder Freundin. Fabrizio wusste es auch nicht genau. Aber er kannte den Italiener, weil der früher hier öfter Urlaub gemacht hatte. Ein «Dottore», auch was Besseres. Orecchio hatte ihn und die Frau noch nicht gesehen. Außerdem war da noch ein reicher Geschäftsmann aus Mailand – ebenfalls mit seiner Freundin, die mindestens zwanzig Jahre jünger war als er. Machte selber auf jung, mit Sportwagen und gefärbten Haaren. Von der Sorte Männer gab es im Sommer hier jede Menge. In den Schulferien kamen sie mit der Familie und sonst mit der Freundin.
    Außerdem lebte im Resort noch ein alter Mann, der mit seiner Haushälterin in einem der kleineren Häuser wohnte. Nicht direkt am Strand, sondern im Wald, geschützt vor den kalten Winterstürmen. Der Alte war ein Dichter oder so was, und er wohnte fast das ganze Jahr über in Il Bosco . Nur im Dezember und Januar nicht, dann zog er zu seiner Tochter nach Rom. Auch das hatte Fabrizio erzählt.
    Ernesto Orecchio versuchte sich vorzustellen, wer von diesen Leuten zu den Unbekannten gehörte, die Kunstraub und Kokainschmuggel betrieben. Vielleicht alle miteinander? Oder keiner? Er schaffte es nicht. Seine Phantasie reichte einfach nicht aus.
    Allerdings bestand auch die Möglichkeit, dass die Anderen vom Meer her kamen, mit Booten. Jetzt, da das Meer wieder ruhig war. Vielleicht gehörte ihnen eines der Häuser, und sie kamen nur dann, wenn eine neue Lieferung eintraf. Versteckten das Zeug im Keller und verschwanden wieder übers Meer. Oder sie liefen am Strand entlang. Vom Strand her konnte jeder nach Il Bosco . Oder der Fahrer des Lieferwagens hatte den Schlüssel zu einem der Häuser, lud die Ware aus und verschwand wieder. Die Anderen holten das Zeug erst Wochen oder Monate später ab. Vielleicht.
    Je länger Orecchio über die Anderen nachdachte, desto verschwommener wurden die Bilder in seinem Kopf. Die Anderen verwandelten sich in graue Schattengestalten, die sich in den leeren Häusern des Resorts versteckten und ihn beobachteten.
    Er schaute zu dem astlosen Stamm der alten Pinie hinüber, der wie ein Leichnam am Rand der Einfahrt lag. Die Vorzeichen waren nicht gut. Überhaupt nicht gut. Orecchio bekreuzigte sich, obwohl er das seit Jahren nicht mehr getan hatte.
     
    Laura saß in Jeans und Seemannspullover auf der Terrasse, als Guerrini vom Dach kletterte. Sie wünschte ihm einen guten Morgen, als handle es sich um einen völlig normalen Vorgang, dass jemand vom Dach auf die Terrasse steigt. Guerrini lächelte ihr zu und klopfte sich den Ziegelstaub von der Hose.
    «Ich finde, wir sind jetzt quitt», sagte Laura und trank einen Schluck Tee aus dem Becher, den sie in der Hand hielt.
    «Quitt in welcher Beziehung?»
    «Nun, ich habe versucht, mich zu ertränken, und du, dich vom Dach zu stürzen. Ist die Aussicht da oben gut?»
    «Hervorragend. Man sieht das Meer, die Bucht, den Astralleib afrikanischer Wanderhändler, und man kann sogar telefonieren.»
    «War

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