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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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ganzen Tag wegbleiben und ihnen die Gelegenheit geben, sich was Neues auszudenken. Es wirkt überzeugender, wenn wir so tun, als hätten wir Urlaub.»
    «Haben wir denn keinen?»
    «Doch, natürlich.»
    «Darf ich dich an deinen legendären italienischen Wutanfall erinnern? Er ist erst ein paar Tage her.»
    «Mi ricordo, amore. Los, fahren wir nach Saturnia. Das ist Urlaub.»
     
    Eine halbe Stunde später fuhren sie an der Baustelle vorbei, in deren Grube sie den Pflug des Conte versenkt hatten. Eine Menge Leute standen dort herum. Bauarbeiter, Carabinieri, Feuerwehrmänner.
    «Ich glaube, unser halbes Abschleppseil vergraben wir am besten in der Nähe von Saturnia», murmelte Guerrini. «Hast du irgendwo Enrico gesehen?»
    «Nein, aber er wird sicher bald erfahren, wo sein Pflug ist.»
    «Vielleicht sollten wir in Saturnia übernachten. Es gibt sehr schöne Hotels dort.»
    Guerrini sah besorgt aus.
     
    In Grosseto suchte Laura eine Buchhandlung und kaufte Das Gastmahl bei Trimalchio des römischen Dichters Petronius. Die Buchhändlerin war über diesen Wunsch etwas erstaunt und fragte Laura, ob sie Lehrerin sei, sie hätten diesen Band nur als billige Ausgabe für Schulen vorrätig. Zweisprachig: Italienisch und Latein. Das sei schon in Ordnung, meinte Laura.
    Guerrini saß unterdessen in einem Internetcafé und las Tommasinis Bericht auf seinem Laptop. Es war ein interessanter Bericht. Er besagte, dass gegen den Vater von Enrico di Colalto in den frühen Achtzigerjahren wegen Verdachts auf Zugehörigkeit zum organisierten Verbrechen ermittelt worden war. Dabei ging es um illegalen Handel mit antiken Kunstwerken. Aufgrund der berühmten Weisung von oben war die Untersuchung allerdings nach kurzer Zeit eingestellt worden. Im Laufe der Ermittlungen hätte die Finanzpolizei auch die Geschäfte von Fernando Guerrini (!) unter die Lupe genommen, aber nichts Aufregendes finden können, nur die übliche Steuerhinterziehung. (Entschuldigung, Commissario, aber so steht es in dem Bericht, hatte Tommasini angefügt.)
    Guerrini stöhnte so laut, dass zwei junge Männer von ihren PCs aufschauten und sich nach ihm umdrehten. Er nickte ihnen zu, murmelte etwas von Kopfschmerzen und las weiter. 2004 hätte ein junger Staatsanwalt die alte Geschichte wieder ausgegraben und es nochmal versucht. Aber auch den habe man gestoppt. Wer das getan habe, darüber sei nichts vermerkt.
    Gott selbst, dachte Guerrini. Oben ist immer nur Gott selbst. Es ist zum Verzweifeln. Weiter.
    Es sei auch gar nicht einfach gewesen, diesen Ermittlungsbericht zu finden, denn im EDV-Archiv war er nur noch als Kurzeintrag mit dem Vermerk: Eingestellt! vorhanden gewesen. Weil Tommasini aber einen Cousin im Aktenarchiv der Staatspolizei hatte, hatte er mehr in Erfahrung bringen können.
    Deshalb also, dachte Guerrini. Deshalb sind meine Eltern damals nicht mehr nach Portotrusco gefahren. Sie mussten vorsichtig sein, weil gegen sie ermittelt wurde. Santa Caterina! Diese Heldentaten hat mein Vater gründlich verschwiegen.
    Er schaltete seinen Laptop noch nicht aus und blieb sitzen, um nachzudenken. Dunkel erinnerte er sich an einen ehemaligen Kollegen, mit dem er lange in der Questura zusammengearbeitet hatte. Er hatte sich vor ein paar Jahren zum Comando Carabinieri Tutela Patrimonio Culturale (Kommando für den Schutz von Kulturgütern, Anm. d. Autorin) versetzen lassen, weil er ein glühender Verehrer sämtlicher italienischer Kunstwerke und der Kunst als solcher war und ihren Ausverkauf verhindern wollte. Dieser Ignazio Tuttoverde hatte es dabei sogar zu echtem Ruhm gebracht, denn er war einer der Ermittler, die gestohlene antike Werke im Museum des Milliardärs Getty in den USA aufspürten.
    Ich werde ihn anrufen, dachte Guerrini. Wenn einer mehr über die Verwicklungen der Colaltos herausfinden konnte, dann Tuttoverde. Vielleicht sollten wir uns persönlich treffen. Rom ist nicht so weit. Ignazio ist ein netter Kerl. Wir waren öfter zusammen essen, und ich habe ihn wirklich vermisst. Wieso haben wir uns eigentlich aus den Augen verloren? Dabei hätten wir sogar viele Gründe, eng zusammenzuarbeiten. Trägheit. Sonst nichts.
    Entschlossen wandte er sich wieder seinem Laptop zu und suchte im Internet die Telefonnummer des Kommandos in Rom. Als Laura wenig später das Café betrat, hatte er bereits bezahlt und blätterte in einer Zeitung.
    «Neuigkeiten?», fragte sie.
    «Ein paar.»
    «Was Interessantes?»
    «Könnte sein, dass Colalto wirklich mit der Mafia

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