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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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blütenweißem, gestärktem Laken und dem Gesichtsausdruck eines Verfolgten einen Lachanfall erlitt.
    «Bene», murmelte er, «ich sagte ja, es ist das Grab der Liebe.»
    Es dauerte eine Weile, ehe Laura in der Lage war zu antworten. «Nein!», brachte sie schließlich hervor. «Es liegt an dir! Du siehst aus, als würdest du über dem Laken schweben, um es nur nicht zu berühren.»
    «Es ist hart und kalt!» Heldenhaft kämpfte Guerrini gegen das Gelächter, das auch in ihm aufstieg, aber nach kurzer Zeit gab er auf und stimmte in Lauras Lachen ein. Erschöpft ließ sie sich neben ihn fallen und spürte selbst die kalte Glätte der Laken. Als sie ein Bein über Guerrinis Hüften legte, schob er sie weg.
    «Nicht! Die schauen alle zu!» Er wies auf die Bilder an den Wänden.
    «Gut, dann Trimalchio !» Sie griff nach dem Büchlein, knipste die Nachttischlampe an, schlug es irgendwo auf und begann laut zu lesen:
    «Aber wir wollen ans Leben denken. Seid so gut, liebe Freunde, macht es euch gemütlich! Auch ich bin ja so dran gewesen, wie ihr es seid, aber mit meiner Tüchtigkeit habe ich es bis hierher gebracht. Das Oberstübchen ist es, was den Menschen ausmacht, alles Übrige sind Kinkerlitzchen. ‹Gut eingekauft, gut abgesetzt›: Da kann euch einer sagen, was er will. Ich floriere zum Platzen. Aber du Schnarchliese heulst immer noch? Ich will es noch dahin bringen, dass du über deine Fee heulen sollst.» «Damit meint er seine Frau», sagte Laura. «Aber was ich sagen wollte: Zu diesem Wohlstand hat mir meine Anspruchslosigkeit verholfen. Als ich aus Kleinasien kam, war ich nicht größer, als wie dieses Kandelaber ist. Kurz und gut, alle Tage habe ich mich immer an ihm gemessen und mir, um schneller einen Bart am Schnabel zu haben, die Lippen aus der Öllampe eingerieben. Trotzdem habe ich vierzehn Jahre lang den Schatz vom Prinzipal gemacht. Es ist ja keine Schande, was der Herr befiehlt. Ich stellte trotzdem auch die Prinzipalin zufrieden. Ihr wisst, was ich meine: Ich schweige, weil ich keiner von den Protzen bin. Im Übrigen, wie es der Himmel so will, bin ich Herr im Hause geworden und habe, stellt euch vor, meinem Prinzipal den Kopf verdreht. Wozu viel reden? Als Miterben hat er mich neben dem Kaiser eingesetzt, und ich habe ein Vermögen wie ein Fürst gekriegt. Aber keiner hat nie genug. Ich habe zu Handelsgeschäften Lust bekommen. Um euch nicht lange aufzuhalten: Fünf Schiffe habe ich gebaut, Wein geladen – und damals wog er Gold auf –, nach Rom geschickt. Es war, als hätt ich’s bestellt: Alle Schiffe sind gekentert, Tatsache, kein Theater. An einem Tag hat Neptun dreißig Millionen geschluckt. Denkt ihr, ich hätte schlappgemacht? Weiß Gott, mir ist dieser Schaden egal gewesen, so wie gar nicht geschehen. Ich habe andere machen lassen: größer, besser und einträglicher, sodass keiner da war, der mich nicht einen Leistungsmenschen nannte. Ihr wisst, ein großes Schiff kann Großes leisten. Ich habe wieder Wein geladen, Speck, Bohnen, Parfüm, Sklavenware. An diesem Punkt hat Fortunata ein gutes Werk getan; nämlich ihren ganzen Schmuck, die ganze Garderobe hat sie verkauft und mir hundert Goldstücke in die Hand gedrückt. Das war die Hefe zu meinem Vermögen. Schnell kommt, was der Himmel will. Mit einer einzigen Fahrt habe ich zehn Millionen zusammengehamstert. Sofort habe ich alle Grundstücke eingelöst, die meinem früheren Herrn gehört hatten. Ich baue ein Haus, kaufe Knechte ein, Packtiere; was ich anfasste, setzte alles an wie eine Wabe. Nachdem ich so weit war, dass ich mehr hatte, als meine ganze Gemeinde hat – Strich darunter! Ich bin aus dem Handelsgeschäft ausgestiegen und habe angefangen, unter Freigelassenen Bank zu halten …»
    «Hör auf!»
    «Warum?»
    «Es klingt wie die Geschichte eines antiken Mafiabosses. Entsetzlich.»
    «Es ist eine Satire von ewiger Gültigkeit.»
    «Deshalb ist es ja so entsetzlich. Die Liebesgedichte von Petronius gefallen mir besser.»
    «Darf ich eins hören?»
    «Nein, es passt nicht in dieses Bett.»
    «Bist du schwieriger geworden, oder habe ich das bisher nur übersehen?»
    Vorsichtig schob Laura eine Hand unter sein Hemd.
    «Mach das Licht aus, sonst sehen die an den Wänden, was du vorhast.»
    Laura knipste die Nachttischlampe aus, und er zog sie an sich.
    «Vielleicht geht es doch», flüsterte er.

 
    IGNAZIO TUTTOVERDE wartete bereits vor der Kirche Santa Maria in Sovana. Die Piazza del Pretorio war menschenleer, nur vor der

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