Die Stunde des Adlers (Thriller)
Handynummer genannt hatte, teilte Kuhn ihm noch eine spezielle Erkennungsmelodie zu: »Tick, tack, tick, tack«, tönte es aus dem iPhone.
»Was ist das denn?«
» Wie die Zeit vergeht , Dom.«
»Na, du hast vielleicht Humor, Anna!«
Für den Anfang gar nicht schlecht, dachte sie und hakte sich unter, was Dominique zuließ.
»Wo gehen wir denn essen? ««
»Da oben.« Hutter warf den Kopf in den Nacken, bis er das Rondell des Euroturms sah.
»Wow, Candle-Light-Dinner mit Blick auf die Bundesbank.«
»›Da Fredo‹, der beste Italiener in der Stadt. Und das Ding da oben dreht sich, du siehst die Bundesbank also nicht die ganze Zeit.«
Nach der dritten Runde, dem zweiten Gang und der ersten Flasche Rotwein machte Kuhn den nächsten Schritt.
»Warum machst du nicht mit bei der Bewegung?«
»Wieso sollte ich?«
»Weil wir gerade für die Zukunft von uns jungen Leuten kämpfen.«
»Tut ihr das?«
»Du teilst also die Meinung deines Chefs?« Fragend blickte sie ihrem Ex-Multi-Nights-Stand in die Augen.
»Nicht unbedingt. Ich hänge nicht per se am Euro, aber es gibt keine Alternative. Zumindest politisch nicht, Anna.«
»Haben wir nicht gelernt, dass Wirtschaft ein Teil der Gesellschaft ist? Haben wir nicht gelernt, dass es gerade den politischen Überbau bräuchte, den es nicht hat?« Sie blieb leise, obwohl genau das ihr Thema war, bei dem sie sehr emotional werden konnte, aber sie wollte die traute Zweisamkeit nicht durch laute Worte stören.
»Das ist so.«
»Und gibt es den Willen zur gemeinsamen politischen Lösung?«
»Nein.« Hutter guckte fast etwas resigniert. »Aber es gibt kein Konzept, keine Forschung, was dann passiert, Anna. Was werden die anderen Staaten sagen, wenn wir rausgehen?«
»Die werden erst einmal happy sein, dass sie aus dem Verbund raus sind, billiger nach Deutschland exportieren können und dann, wenn der Kater einsetzt, werden wir schon bald wieder die alte Stärke haben. Es wird eine schnelle Anpassungsrezession.«
»Glaubst du!«
»Weißt du es denn anders?«
»Nein.«
»Also.« Kuhn faltete die Hände.
»Ist die Trennung dann die Lösung?«
»Aus meiner Sicht ja. Trennung und dann ein Neuanfang. Wie bei uns.«
Dominique meinte das leicht fragend gehört zu haben. »Ich weiß nicht, Anna.« Ob er damit die Trennung und den Neuanfang der Währung oder der Beziehung meinte, war ihm selbst nicht klar.
»Dann könntest du doch bei uns mitmachen. Im Finanzministerium brauchen wir noch gute Leute. Oder beim Internationalen Währungsfonds, der Bank für internationalen Zahlungsausgleich und so weiter. Ich habe da Einfluss auf die Besetzungen.« Kuhn wusste noch genau, dass Dominiques Hauptantrieb für seine Doktorarbeit über die internationalen Währungsinstitutionen gewesen war, selbst später einmal in Washington oder Basel oder sonst wo arbeiten zu wollen.
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
»Solltest du, die Projektgruppe wird nicht ewig tagen. Danach steht dir bei mir alles offen.« Wie sie so zur Unterstützung ihrer Aussage die Arme breit auseinandernahm, war der Blick auf ihre Brüste unvermeidlich. Und Dr. Dominique Hutter schien interessiert, wie Anna-Maria Kuhn merkte.
»Aber so eine Umstellung, wenn überhaupt, ist ein Riesenakt, eine logistische Herausforderung. Das dauert doch Monate.«
»Erinnerst du dich an die ›Tyrannei des Status quo‹?«
»Milton Friedman?«
»Richtig.«
»Dass du das weißt ...«
»100 Tage, danach ist alles wieder beim Alten, Dom.«
»Du willst das alles in 100 Tagen durchziehen? Das geht nicht, Anna.«
»Doch, sogar noch weniger. Aber lass uns nicht streiten, nicht heute Abend, Dom, am Tag unseres Wiedersehens.« Kuhn legte ihm ihren Zeigefinger auf den Mund. Für das, wofür sie ihn hier nutzen wollte, konnte sie keinen Streit gebrauchen.
»D-Day«, flüsterte sie und kicherte dabei wie die junge Studentin, die Hutter aus dem Bett kannte, wenn sie nach seiner kleinen akademischen Hilfestellung noch einmal auf ihn stieg.
»Psst.« Hutter erschrak ein wenig, dass Kuhn dieses Wort in den Mund nahm.
Kuhn hob das Glas. Inzwischen war die zweite Flasche Rotwein fast leer, von der hatte sie aber nur noch ein Glas genommen, und der Nachtisch war im Anmarsch: Mousse au Chocolat – ein Dessertteller mit zwei langen Löffeln. Jeden Löffel Mousse saugte sie förmlich vom Löffel in den Mund ein. Er sollte es sein, der den nächsten Schritt machte. Nur den Rotwein und den bereits bestellten Grappa setzte Kuhn als
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