Die Stunde des Adlers (Thriller)
verabredet, dessen Bank seit Monaten schon mit »Exit-Service für die Währungsunion«, einer Art Ausstiegsdienstleistung, großen Erfolg und Geld verdient hatte. Außerdem war er so etwas wie der informelle Kopf der deutschen Banker, dessen Wort großes Gewicht in der Branche hatte.
Keine Frage also, dass so einer auch kurzfristig einen Termin mit der Finanzstaatssekretärin machen konnte, zumal sie sich aus den vertrauten Gesprächen kannten und sie nun die wichtigste Frau im Umfeld des Bundeskanzlers war. Die Banken wollten nur zu gerne wissen, was die DMP aus ihren Wahlversprechen machen würde. Freudig hatte Dr. Anton Albers kurzfristig den Termin zum Mittagessen freigemacht. Aber ein paar Minuten warten ließ er die Staatssekretärin doch, allein, um seine Bedeutung zu unterstreichen.
»Frau Staatssekretärin«, rief Albers, als er mit knapp zehn Minuten Verspätung eintrat, nachdem ein livrierter Kellner ihm die Türe geöffnet hatte, »sehen Sie mir bitte die kleine Verspätung nach.« Derweil war er bereits an Kuhn herangetreten und gab ihr galant einen Handkuss, streichelte dabei ganz leicht ihren Unterarm, was ihr schon beim letzten Mal aufgefallen war.
»Dr. Albers, danke, dass Sie so kurzfristig Zeit für mich haben.« Sie begrüßte ihn mit einer kaum wahrnehmbaren Mischung aus Augenaufschlag und Augenzwinkern.
»Für die wichtigste Frau in Berlin, ich bitte Sie.«
»Sie Charmeur.«
»Meine Gratulation noch, obwohl ich Sie mir doch gleich an der Spitze des Ministeriums gewünscht hätte, geschätzte Frau Kuhn.«
»Ich lasse die Männer lieber für mich arbeiten.«
»Sie sind mir aber eine.« Albers war sich nicht ganz sicher, wie er diesen mit einem Lächeln ausgesprochenen Satz verstehen sollte. Als er so alt gewesen war wie Kuhn heute, gab es noch nicht so viele Frauen in Spitzenpositionen der Finanzwirtschaft.
»Der Herr Bundeskanzler lässt Sie herzlich grüßen, Dr. Albers. Er erinnert sich gerne daran, dass Sie als einer der ersten Spitzenbanker Ihr Verständnis für unsere Bewegung öffentlich zum Ausdruck gebracht haben.«
»Wir Banken haben lernen müssen, dass man sich nicht gegen das Volk und seine Volksvertreter stellen sollte.« Galant führte er Kuhn zum Tisch mit dem Aperitif, wo er dem wartenden Kellner mit einem jovialen leichten Schlag auf den Rücken seine Überlegenheit deutlich machte. Ausgestattet mit zwei Gläsern Champagner kehrten beide wieder an das große Fenster zurück. Diskret hatte sich der Kellner entfernt.
»Das ist gut zu wissen, Dr. Albers.« Kuhn kannte diesen Opportunisten zu gut, aber er passte ihr ins Konzept. Sie hatte von ihren Freunden ein ganzes Dossier über Albers anfertigen lassen.
»Sie können auf mich und meine Bank setzen, in der Branche kann ich mich verwenden.«
»Wir werden Leute wie Sie brauchen, wenn wir unser Wahlversprechen einlösen und den Deutschen die D-Mark zurückgeben.« Dabei stieß Kuhn wie zur Unterstützung ihrer Aussage mit Albers an.
»Uns ist egal, mit welchem Geld wir unser Geld machen, Frau Kuhn.« Albers stieß noch einmal an, so als wollte er seinerseits den Pakt schließen.
»Dann wäre nicht mit Widerstand der Banken zu rechnen?«
»Nein. Wir können an Währungsabsicherungen, Tausch und so weiter doch sogar zusätzlich verdienen. Wir sind ja nicht die Realwirtschaft.«
»Was wäre aus Ihrer Sicht mit der zu erwartenden Rezession?«
»Anpassungsschock, das geht nach ein, zwei Jahren vorüber.«
»Kredite?«
»Das haben wir schon eingepreist. Was wir an Vorsorge treffen konnten, haben wir gemacht. Und wenn wir frisches Kapital brauchen, werden Sie einspringen müssen. Wir können unsere deutschen Unternehmen ja nicht allein lassen, oder?« Albers nahm bei seiner letzten Aussage fast so etwas wie Haltung an.
»Nun, geschätzter Dr. Albers, was wäre, wenn wir nicht ganz zum alten Kurs umstellen?«
»Oh«, verwundert machte Albers einen Schritt zurück, als hätte er einen kleinen Stoß auf die Brust bekommen, »davon war bislang nie die Rede. Das wäre ein Problem, ein echtes Problem, Frau Staatssekretärin. Nebst all den anderen Wertberichtigungen. Muss das sein?«
»Dr. Albers, Sie verdienen doch am Ende daran. Das Geld fürs Geldverdienen ist Ihnen doch egal.« Sie trat wieder an ihn heran, den alten Abstand, der fast schon ein wenig zu intim war, wiederherstellend. »Sagten Sie doch, oder?«
»Ja, aber …«
»Nichts aber, Dr. Albers« Kuhn wurde ernster, legte dennoch ihre Hand auf seinen Unterarm.
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