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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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ganz Ohr.«
    »Sehr gut.« Orgagna nippte an seinem Kognak und ließ den Schluck langsam über die Zunge rollen. Dann stellte er das Glas auf den Tisch und beugte sich vor. Seine langen, ausdrucksvollen Hände unterstrichen jedes seiner Worte. »Ihre früheren Beziehungen zu meiner Frau sind mir durchaus nicht unbekannt, Ashley. Als Privatmann habe ich mich entschlossen, diese Beziehungen zu ignorieren. Als Politiker bin ich genötigt, sie um jeden Preis vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Aus diesem Grunde bin ich bereit, eine Komödie mitzuspielen: Ich bestätige, daß Sie mein Freund sind und daß Ihr Nachmittagsausflug ein Gefallen war, den Sie mir taten, und ein Akt der Höflichkeit gegen Rossana.«
    »Ein weiser Entschluß«, sagte Ashley kühl.
    Wieder nippte Orgagna an seinem Glas.
    »Ganz offenbar weiß Granforte von einer Geschäftsbeziehung zwischen Ihnen und dem Mann, den Sie überfahren haben. Aus diesem Grunde ist ihm der Unfall nicht ganz geheuer. Ich könnte mir vorstellen …« Orgagna heftete seinen Blick auf den Tisch und machte eine kurze Pause. »Ich kann hier selbstverständlich nur Vermutungen anstellen – ich könnte mir vorstellen, daß er den allergrößten Wert auf Ihre Anwesenheit in Sorrent legt, solange seine Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind.«
    »Und das wäre Ihnen peinlich?«
    »Wegen meiner Frau, jawohl.«
    »Drücken Sie's aus, wie Sie wollen.«
    Orgagna überhörte die Ironie und fuhr fort, indem er seine Worte mit umständlicher Sorgfalt wählte.
    »Deshalb sind unsere Interessen identisch. Es besteht also Grund für eine Allianz.«
    »Was ist der Preis?« fragte Ashley brüsk.
    »Über den Preis können wir später reden, falls Sie dieses Verhör überleben.«
    »Falls wir beide es überleben.«
    Orgagna schob seinen Stuhl vom Tisch zurück und stand auf. Seine Stimme klang beinahe gelangweilt. »Über all das können wir vielleicht später sprechen. Überdenken Sie das Ganze, Herr Ashley. Komm, Rossana.«
    Er ging zum anderen Tischende, reichte Rossana den Arm, und sie verließen den Raum.
    Unbewegt wie immer nahm Harlequin einen Schluck aus seinem Glas. Seine blassen Augen leuchteten vor Schadenfreude. Ashley steckte sich eine Zigarette an und wartete.
    »Ich habe Sie gewarnt, nicht wahr?«
    Ashley musterte ihn mit kalter Verachtung.
    »Ich hab' schon allerhand Schweinereien erlebt, Harlequin. Aber mit Mord habe ich nicht gerechnet.«
    »Mord?« Das Lächeln erlosch in den blassen Augen. Sie wirkten jetzt wie leblose Steine.
    »Orgagna hat den Unfall arrangiert. Mit seiner Frau als Helfershelferin und mir als Werkzeug.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Natürlich nicht.« Ashley war des Ganzen plötzlich überdrüssig. Seine Geduld war am Ende. Er hatte genug von ihnen allen. Genug von ihrem glatten Geschwätz und ihren spitzfindigen Ränken.
    Doch war er in dem Netz gefangen, das sie für ihn ausgeworfen hatten, und er konnte sich von ihnen so wenig freimachen wie von sich selbst oder von seinem Ehrgeiz. Die Reportage seines Lebens war geplatzt, aber ihre Trümmer lasteten auf ihm und drückten ihn zu Boden.
    Kalt und überlegen beobachtete ihn George Harlequin. Er studierte das schlanke, sonnengebräunte Gesicht und die kräftigen nervösen Hände auf dem weißen Tischtuch. Auch er war geködert und gefangen und hätte das in einer anderen Situation wahrscheinlich auch zugegeben. Doch jetzt, in diesem Augenblick, in diesem Raum, während er am Tisch eines Herzogs saß, war er nichts als ein Mann in den Klauen seines Berufes.
    »Orgagna weiß, daß Sie die Photokopien haben«, stellte er frostig und präzise fest.
    »Was?« Ashley fuhr hoch, als hätte man ihn mit einer Nadel gestochen. »Sagen Sie das noch mal!«
    »Orgagna weiß, daß Sie die Photokopien haben.«
    Ashley musterte ihn mit halboffenem Mund. Dann warf er den Kopf zurück und lachte und lachte. Orgagna und Rossana kamen aus dem Schlafzimmer, und die drei standen da, beobachteten ihn und hörten seiner w i lden, hysterischen Fröhlichkeit zu, die zwischen den Stuckwänden des riesigen Raumes widerhallte.
    Zwei Minuten später kam Inspektor Granforte.

5
    Inspektor Eduardo Granforte war vollkommen glücklich. Entspannt und zufrieden saß er im Salon Seiner Hoheit, des Herzogs von Orgagna, ein Glas mit vorzüglichem Kognak in seiner weichen Hand und eine Liste unschätzbar wertvoller Informationen im Kopf.
    Die Informationen verliehen ihm Selbstvertrauen, doch war er ein zu erfahrener Mann, um

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