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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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antwortete diplomatisch:
    »Der heutige Abend ist etwas durchaus Besonderes für mich, Hoheit. Ich würde es für ungezogen halten, jetzt und hier über die Moral der Presse zu sprechen – oder über die der Politiker.«
    George Harlequin brach plötzlich in Lachen aus, verschluckte sich und schnappte nach Luft.
    »Etwas durchaus Besonderes! Das ist wirklich ausgezeichnet. Seltsam, Orgagna, was? Wir rechnen nie damit, daß auch Amerikaner Phrasen dreschen können. Unser Freund kann es wirklich ausgezeichnet.«
    »Ich habe Herrn Ashleys Talente nie unterschätzt«, sagte Orgagna mit mühsamer Überlegenheit. »Und ich bin froh, daß er unser Freund ist und nicht unser Feind.«
    Jetzt, dachte Ashley, jetzt kommt er endlich auf des Pudels Kern. Er will einen Waffenstillstand. Er weiß, daß er mich in Verlegenheit setzen, ist aber nicht sicher, ob er mich zum Schweigen bringen kann. Er ist geneigt, einen Kompromiss zu schließen. Nur ein bißchen Geduld, und er wird seine Karten auf den Tisch legen.
    Der Gedanke amüsierte ihn. Er nahm das Kompliment mit einem Grinsen zur Kenntnis, und die Spannung verließ ihn. Rossana machte eine Bemerkung über Mode. Harlequin ging darauf ein. Der dünne Jüngling stürzte sich mit weibischem Eifer auf das Thema, und der peinliche Augenblick ging vorüber. Nur Elena Carrese saß düster und schweigend vor dem Hintergrund der mondbeschienenen See, in der sich die Lichter der fernen Stadt spiegelten.
    Teller wurden gewechselt und neuer Wein gebracht. Die Kellner standen aufmerksam bereit, während die Gesellschaft aß und über Mode und Hochfinanz, Gesellschaftsskandale und politische Intrigen redete. Die Gesichter und Augen der Bediensteten waren ausdruckslos, wie das für gutes Personal selbstverständlich ist. Doch ihre Ohren waren offen und nahmen gierig alles auf, was sich vielleicht irgendwo zu Geld machen lassen würde. Hier unten im Süden konnte ein Trinkgeld ein Extra-Kilo Spaghetti auf dem Familientisch bedeuten oder einen warmen Rock für ein kränkelndes Kind.
    Das Hauptgericht wurde serviert. Dann kamen Früchte und Käse. Der starke, bittere Kaffee wurde in der Espressomaschine bereitet, und der Maître de salle wärmte gerade die Kognakshaker, als schrill und aufdringlich das Telephon klingelte. Er stellte das Glas aus der Hand und stelzte davon, um den Hörer abzunehmen. Seine Stimme war leise und unbeteiligt. Er warf einen raschen, wissenden Blick zu der Gesellschaft am Tisch, legte den Hörer aus der Hand und ging zu Orgagna. Er beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Orgagna hörte aufmerksam zu. Dann entschuldigte er sich, stand auf und ging ins Nebenzimmer, um dort den Anruf entgegenzunehmen.
    Rossana beobachtete ihn mit besorgten, forschenden Blicken. Nach ein paar Minuten kam er wieder. Er sagte kein Wort von dem Anruf, sondern nahm die Unterhaltung dort wieder auf, wo man sie unterbrochen hatte.
    Als der Kaffee und der Kognak serviert waren, wandte er sich an den Maître de salle: »Bitte lassen Sie uns jetzt allein. Wenn wir etwas brauchen, werden wir läuten.«
    »Jawohl, Eure Hoheit.«
    Er verbeugte sich und verließ den Raum, indem er die Kellner vor sich hertrieb wie eine Henne ihre Küken. Orgagna saß entspannt in seinem Stuhl und betrachtete das Kognakglas zwischen seinen Händen.
    »Tullio«, sagte er kühl, ohne aufzusehen, »führen Sie Elena zu Kaffee und Brandy in die Halle. Verlassen Sie das Hotel nicht, vielleicht brauche ich Sie später noch.«
    Der Jüngling und das Mädchen erhoben sich und gingen ohne ein Wort. Orgagna wartete, bis sich die Tür hinter ihnen schloß. Dann sah er auf. Seine Augen waren kalt, sein Mund hart. Die anderen musterten ihn verwirrt und beunruhigt.
    »Der Anruf vorhin kam von Inspektor Granforte«, erklärte er kühl und überlegen. »Er wünscht Sie noch einmal zu vernehmen, Herr Ashley.«
    »Der hat's aber verdammt eilig.«
    Orgagna wischte die Bemerkung beiseite.
    »Ich habe dem Inspektor bedeutet, daß durch meine Frau auch ich in die Angelegenheit verwickelt sei. Ich bat ihn deshalb um die Liebenswürdigkeit, sich hier mit uns zu treffen, wo wir im privaten Rahmen besprechen können, was immer nötig sein mag. Er erklärte sich damit einverstanden.«
    »Wie nett von ihm«, sagte Ashley trocken.
    »Netter als Sie ahnen, Herr Ashley.« Orgagna sah ihn scharf an. »Es wäre klug, wenn wir uns in den paar Minuten, die uns noch bleiben, auf die Unterhaltung vorbereiten würden.«
    »Ich bin

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