Die Stunde des Fremden
sich zu Arroganz verleiten zu lassen. Zumindest eines kleinen Vorteils war er sicher, und er wußte auch, daß er mit Takt und Diskretion diesen Vorteil ganz beträchtlich vergrößern könnte.
Obschon er einem mitunter bestechlichen Verwaltungsapparat diente, war er doch selbst kein korrupter Mann. Er war ehrlich gegen sich selbst – die größte Ehrlichkeit, die es gibt. Und er wußte, daß wohl jedermann seinen Preis hatte, sein eigener jedoch wahrscheinlich höher war als der der meisten anderen. Er hatte niemals Recht gebrochen, wenn er sich auch oft mit Unrecht abfinden mußte, mit Unrecht, das zu mächtig für die gebrechliche Justizmaschine war. Nie hatte er sich bestechen lassen, doch sah er nicht ein, warum man die Anerkennung eines dankbaren Bürgers zurückweisen sollte.
Als er jetzt im Mittelpunkt dieser kleinen Versammlung saß, zwischen Orgagna, Harlequin und Ashley, war er ganz Diskretion und Wohlerzogenheit, und seine Fragen wirkten fast, als würden sie von Ehrfurcht und Demut diktiert.
»Wir sind uns der Tatsache Ihrer alten Freundschaft mit Ihren Hoheiten durchaus bewußt, Herr Ashley«, er verbeugte sich gegen das Herzogspaar, »… diese Freundschaft erklärt völlig, daß Sie sich auf dieser Straße befanden, daß Sie einen Wagen fuhren, der nicht Ihr eigener ist – ja, möglicherweise sogar Ihre etwas … äh, temperamentvolle Fahrweise.«
»Sehr liebenswürdig«, sagte Ashley.
»Jedoch«, Granforte gestikulierte mit dem Glas in der Hand, »sind wir mit gewissen Berichten über Ihre Beziehungen zu dem Toten weniger glücklich.«
»Wieso?«
»Zunächst einmal haben Sie doch wohl in Geschäftsverbindung mit ihm gestanden.«
»Das habe ich Ihnen bereits erklärt.«
»Um welche Art Geschäfte handelte es sich dabei.«
»Auch das habe ich Ihnen schon gesagt. Ich habe Informationen von ihm gekauft.«
»Informationen welcher Art?«
»Nun – Nachrichten.«
»Könnten Sie nicht etwas genauer werden, Herr Ashley?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Es ist ein Teil meiner Berufsethik, Inspektor.«
Granforte lächelte liebenswürdig. Er brauchte die Auskunft gar nicht. Er wußte die Antwort. Es amüsierte ihn, diesen großen, selbstzufriedenen Amerikaner zu ärgern. Auch war es nützlich, Eindruck auf den Herzog und seine schöne, treulose Frau zu machen. Je größer der Respekt vor ihm wurde, um so besser für ihn, wenn die Zeit für ihre Dankbarkeit reif war.
»Man darf also annehmen«, fuhr er fort, »daß die Informationen, die Sie von Garofano kauften, vertraulicher Natur waren?«
»Allerdings.«
»Was wissen Sie über Enzo Garofano?«
»Nichts. Er kam zu mir und bot mir gewisse Informationen an. Ich prüfte die Informationen, nicht den Mann. Die Informationen stimmten. Ich war bereit, dafür zu zahlen. Seine Person interessierte mich nicht im geringsten.«
»Dann erlauben Sie mir, Ihnen folgendes zu sagen, Herr Ashley: Garofano ist – oder war – ein Angestellter der Stadtverwaltung Neapel.«
»Wie interessant.«
»Mehr als interessant, Herr Ashley. Sie haben sich durch Ihre Handlung eines Vergehens der Beamtenbestechung mit dem Ziel, Regierungsgeheimnisse zu erschleichen, schuldig gemacht.«
Ashley schüttelte grinsend den Kopf. »Da müssen Sie sich schon was Besseres ausdenken, Inspektor. Die Information hatte nichts mit Regierungsgeheimnissen zu tun. Und selbst wenn, könnten Sie es nicht beweisen.«
»Wollen Sie leugnen, Herr Ashley«, Granforte richtete einen anklagenden Finger auf ihn, »wollen Sie leugnen, daß die Informationen aus Dokumenten bestanden?«
»Nein. Durchaus nicht.«
»Würden Sie so freundlich sein, mir die Dokumente zu zeigen?«
»Ich habe sie nicht.«
»Warum nicht?«
»Garofano verlangte zuviel dafür. Ich weigerte mich, soviel zu bezahlen.«
»Und daraufhin, Herr Ashley«, des Inspektors Stimme war weich wie Samt, »und daraufhin stritten Sie mit diesem Mann in der Hotelhalle. Sie schlugen mehrere Male auf ihn ein. Man hörte, wie Sie drohten, ihn umzubringen.«
»Wer hörte das?«
»Der Barkeeper Roberto. Wollen Sie es leugnen?«
»Nein.«
»Na also!« Inspektor Granforte lehnte sich zurück und roch genießerisch an seinem Glas. »Über die Wirkung des Ganzen sind Sie sich doch wohl im klaren, Herr Ashley? Sie lassen sich in eine öffentliche Prügelei ein. Sie stoßen in aller Öffentlichkeit Drohungen aus. Sie gestehen ein Motiv – nämlich die Weigerung, Ihnen gewisse Dokumente zu verkaufen. Eine Stunde danach überfahren
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