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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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kurzer Zeigefinger lag auf dem Abzug. Ashley machte kehrt und ging langsam den Weg zurück, den er gekommen war.
    Mochte sich Granforte gefälligst selbst um das Beweismaterial bemühen. Der Weg, der Ashleys Story noch von den Druckpressen trennte, war weit, und mit einer Ladung Schrot in der Brust könnte er ihn gewiß nicht zurücklegen.
    Als er den Schutz der Bäume erreichte, sah er sich um. Der Bauer hatte den Pfad verlassen und ging langsam an der Mauer entlang auf deren Ende zu. Dort stand ein anderer Mann und wieder zweihundert Meter weiter noch einer. Jeder mit einer Flinte im Arm, und falls wirklich Wachteln da sein sollten, schienen sich die Kerle jedenfalls nicht darum zu kümmern. Sie alle starrten zu den Olivenbäumen hinunter, wo ein großer Amerikaner in einem bunten Sonnenhemd an einem knorrigen, grauen Stamm lehnte.
    Wie eine Ente auf dem Wasser, dachte Ashley – wie eine dumme, quakende Ente, die nicht weiß, was gespielt wird.
    Er sah auf die Uhr. 9 Uhr 15. Inspektor Granforte mußte schon in seinem Büro sein. Am besten würde er ihn gleich anrufen und ein Ende machen mit diesem grausamen Spiel, bevor noch etwas schiefging.
    Er trat seine Zigarette aus und wandte sich dem Hause zu. Die Jäger auf dem Berg machten spöttische Gesten, während sie dem bunten Hemd nachsahen, das zwischen den Bäumen ihren Blicken entschwand.
    Die Terrasse lag noch immer einsam im Sonnenlicht. Ashley überquerte sie rasch und ging in den Salon, wo das Telephon stand. Eine dicke Bauersfrau mit zerfransten Schuhen und einem geflickten Kleid schrubbte den Fliesenboden. Sie sah kurz auf und wandte sich wieder ihrer mühsamen Arbeit zu.
    Ashley nahm den Hörer ab. Kein Freizeichen. Ein paar Mal drückte er die Gabel herunter und versuchte, das Amt zu wählen. Es half nichts. Die Leitung war tot. Sie würde wahrscheinlich eine ganze Weile tot bleiben.
    Und er wußte, daß nun der Augenblick gekommen war, den Handel mit Tullio Riccioli abzuschließen.

11
    Es war schon nach 10 Uhr, als Tullio auf die Terrasse kam. Er hatte eine schwarze Badehose und Strandsandalen an und trug seine Malutensilien unterm Arm. Sein braungebrannter Körper strahlte vor Jugend und Gesundheit, und er bewegte sich mit der arroganten Sicherheit eines Rad schlagenden Pfaus.
    Ashley nickte ihm zu und wartete, bis er seine Staffelei aufgestellt hatte und an der halbfertigen Leinwand zu malen begann. Dann stand er auf und trat neben ihn.
    »Malen Sie weiter, Tullio«, sagte er leise. »Wenn jemand kommt, rede ich über das Bild.«
    »Einverstanden!« Riccioli warf ihm einen raschen Blick zu und arbeitete weiter. »Was wollen Sie?«
    »Ich habe was für Sie – sofort.«
    »Zahlt es sich aus?«
    »Natürlich.«
    »Was kriege ich?«
    »Fünfhundert Dollar im voraus und fünfhundert danach.«
    »Nicht schlecht. Ganz schön wichtige Sache, was?«
    »Für mich schon.«
    »Was habe ich zu tun?«
    »Nichts weiter als nach Sorrent zu fahren und diesem Engländer, George Harlequin, eine Nachricht zu überbringen.«
    »Was?«
    »Sie müssen ihm sagen, daß ich hätte, was er will, und er soll so schnell wie möglich hierher kommen.«
    Tullio trat einen Schritt zurück und musterte seine Arbeit mit theatralischer Umständlichkeit. »Sonst noch was?«
    »Nichts weiter. Können Sie denn unauffällig von hier verschwinden?«
    »Warum nicht? Eine Abwechslung täte mir sowieso gut. Ich komme mir hier vor wie in einem Museum.«
    »Wann können Sie frühestens fahren?«
    »Vor dem Lunch. Ich muß Orgagna um den Wagen bitten. Bei der Hitze habe ich keine Lust, zu laufen. Übrigens – wann kriege ich die Anzahlung?«
    »Sobald Sie in mein Zimmer kommen.«
    »Gut.«
    Ashley schlenderte zu seinem Liegestuhl unter dem großen bunten Schirm zurück. Viel lieber wäre er an den Strand gegangen und hätte den Vormittag mit Schwimmen und Sonnenbaden verbracht. Aber er entschloß sich, zu bleiben. Die Leute hier waren unberechenbar – und beim ›Wachtelschießen‹ ergaben sich zu viele Gelegenheiten für einen Unfall.
    Natürlich war auch Tullio Riccioli unberechenbar. Er war kapriziös, selbstsüchtig, käuflich und ebenso unfähig zur Liebe wie zur Treue. All das machte ihn zu einem gefährlichen Verbündeten. Seinesgleichen bevölkerte alle internationalen Plätze. Leute seines Schlages lebten, wenn auch recht bescheiden, von törichten Witwen und reichen Homosexuellen. Sie beherrschten alle Tricks ihres uralten Gewerbes. Ihre Talente verblühten mit ihrer Jugend, und

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