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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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bildeten sich kleine Schweißperlen. Dann überfiel ihn der Schmerz. Ein bohrender, ziehender Schmerz in seinem Magen, der ihn vom Stuhl hochriss und über die Terrasse zur Balustrade taumeln ließ, wo er stand und sich übergab, bis die Krämpfe nachließen.
    »Armer Kerl!« Orgagna trat neben ihn, voll tröstenden Mitleids. »Sie sind krank. Lassen Sie sich nach oben führen – weg aus der Sonne.«
    »Danke … mir – mir geht's ziemlich dreckig.«
    Der Herzog nahm seinen Arm und steuerte Ashley eilig über die Terrasse in dessen Zimmer. Dort lag der Amerikaner schwitzend und zusammengekrümmt auf dem Bett und wartete auf den nächsten Anfall, während Orgagna gefaßt, doch aufmerksam neben ihm stand, um ihm ins Bad und zurück zu helfen. Mit jedem Mal wurden die Krämpfe heftiger und die Schmerzen größer. Ashleys ganzer Körper war in Schweiß gebadet. Das Zimmer schwamm vor seinen Augen. Orgagnas Stimme kam von weit her.
    »Wie fühlen Sie sich, Ashley?«
    Er schüttelte heftig den Kopf, und die Umrisse des Raumes wurden klarer. Der Herzog stand neben dem Bett und lächelte auf ihn herab.
    »Ich – ich fühle mich miserabel. Möchte wissen, was mit mir los ist.«
    »Sie sind vergiftet, Ashley«, sagte Orgagna mit sanfter Stimme.
    »Vergiftet? Ich … ich …«
    Er versuchte, sich im Bett aufzusetzen, doch ein neuer Anfall ließ ihn wieder in das Bad taumeln. Diesmal machte Orgagna keine Anstalten, ihm zu helfen. Er stand nur da und beobachtete ihn mit einem dünnen Lächeln um die Mundwinkel.
    Als Ashley schwach und schlotternd zurückkam und sich auf das Bett warf, setzte er sich zu ihm.
    »Sie sind vergiftet, Herr Ashley«, sagte er. »Das Gift war in Ihrem Mittagessen. Ein einfaches und doch recht wirksames Gift. Wie Sie bemerkt haben werden, nehmen die Krämpfe an Heftigkeit und Häufigkeit ständig zu. In einer, bestenfalls in zwei Stunden werden Sie eines schmerzhaften Todes sterben. Selbstverständlich gibt es ein Gegenmittel. Ein sehr einfaches Gegenmittel. Ich bin bereit, es Ihnen zu verabreichen – im Austausch gegen die Photokopien. Doch keinesfalls, bevor ich diese in den Händen habe. Möglicherweise haben Sie sie in Sorrent gelassen. Das wären zwanzig Minuten hin und zwanzig Minuten zurück. Es ließe uns noch immer Zeit für das Gegengift. Vorausgesetzt natürlich, daß Sie nicht zu halsstarrig sind.«
    Schwach und fiebernd lag Ashley auf dem Bett und musterte in Erwartung des nächsten Anfalls Orgagnas Gesicht. Nicht die Spur von Mitleid war darin zu erkennen. Und nicht die Spur von Reue. Ashley wußte, er würde in aller Ruhe dasitzen und zusehen, wie sein Opfer starb. Der nächste Anfall überfiel ihn. Der Weg zum Bad und zurück kam ihm diesmal schon doppelt so lang vor.
    Er schloß die Augen und versuchte, genug Kraft zu sammeln, um sich aufzuraffen und Orgagna zu überwältigen, damit er wenigstens aus dem Zimmer laufen und um Hilfe rufen könnte. Vielleicht würde Elena ihn hören oder einer der Dienstboten. Doch als er sich aufzurichten suchte, überwältigte ihn der Schmerz, und das Fieber ließ alle Muskeln erschlaffen. Halb ohnmächtig sank er in die Kissen zurück. Orgagnas leise Stimme mahnte ihn.
    »Glauben Sie mir, Ashley, ich werde Sie hier sterben lassen. Sie haben mich zu weit getrieben, als daß ich jetzt noch umkehren könnte. Ein Mann ist schon tot, auf einen zweiten kommt es nicht mehr an. In Ihrem Fall ist die Gefahr für mich geringer, als Sie glauben. Sie sind schon ziemlich schwach, was? Sie werden noch viel schwächer werden und noch viel mehr leiden. Ich kann Ihnen das Mittel jederzeit geben, doch rate ich Ihnen, nicht allzu lange zu warten. Gift ist eine kitzlige Sache. Man kann nie wissen … Bei jedem wirkt es anders.«
    Ashley lag stumm und zitternd da. Er hatte keine Kraft mehr, zu kämpfen. Die immer wiederkehrenden Anfälle verbrauchten all seine Kraft. Er fühlte seine Entschlossenheit ins Wanken geraten. Allmählich ergriff die Furcht Besitz von seinem geschwächten Körper.
    In immer schnellerer Folge kamen noch vier Anfälle. Nach jedem ließ seine Widerstandskraft nach, in gleichem Maße wie seine Furcht wuchs und des Herzogs Stimme an Eindringlichkeit zunahm. Dann holte Orgagna zum Hauptstreich aus.
    »Ihr Büro wird Ihre Beerdigung bezahlen, Ashley. Man wird Ihnen einen zweiseitigen Nachruf widmen, und vielleicht auch einen kleinen Artikel in der Wochenendbeilage. Aber Ihre Kollegen werden die Mädchen küssen, die Sie nie geküßt haben, und

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