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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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kühl. »Fühlen Sie sich besser?«
    »Danke, ja.«
    »Bitte nehmen Sie Platz. Carlo! Ein Glas für den Signore! «
    »Nichts zu trinken, danke.«
    Er schaffte es bis zu einem Stuhl, setzte sich vorsichtig und nickte den anderen zu. Obwohl sie ihn alle über den Rand ihrer Gläser beobachteten, sagte niemand ein Wort. Nachdem Carlo Oliven und Cocktails angeboten hatte, blieb er diskret im Hintergrund stehen.
    »Salute!« sagte Orgagna.
    »Salute!«
    Alle tranken. Der Herzog stellte sein Glas aus der Hand und tupfte sich sorgfältig die Lippen. Sein Blick wanderte von Ashley zu Granforte.
    »Ich glaube, wir alle wissen, weswegen wir hier zusammengekommen sind«, sagte er. »Wir alle sind, mehr oder weniger, in diese Sache verwickelt. Ich hielt es deswegen für wichtig, daß wir uns heute hier versammeln – zum letztenmal, gewissermaßen. In unser aller Interesse sollte diese leidige Angelegenheit meines Erachtens nunmehr endlich zum Abschluß gebracht werden, damit jeder von uns wieder seinen eigenen Angelegenheiten nachgehen kann, unbelastet von Misstrauen und Ressentiments. Ich weiß, daß Inspektor Granforte darin mit mir übereinstimmt. Das erklärt seine Anwesenheit. Ich bitte Sie alle, etwa noch offene Fragen jetzt zu stellen sowie allfällige Beschwerden oder Beweise vorzutragen. Ist das klar?«
    Er sah von einem zum anderen, doch waren aller Augen gesenkt.
    »Warum Herr Ashley ursprünglich nach Sorrent kam«, fuhr Orgagna fort, »wissen wir alle. Seit einigen Monaten untersucht er mein politisches und finanzielles Vorleben in der Hoffnung, für die nächste Wahl Material gegen mich zu finden. Er kam hierher, um von einem gewissen Enzo Garofano Photokopien von Briefen zu kaufen, die angeblich aus meiner Privatkorrespondenz stammen. Am selben Tag, als er Garofano traf, sah er auch meine Frau wieder. Er kannte sie schon aus Rom, aus der Zeit vor ihrer Ehe. Sie fuhren zusammen spazieren. Ashley steuerte den Wagen. Auf dem Heimweg überfuhr und tötete er Garofano. Inspektor Granforte hielt eine polizeiliche Untersuchung des Falles für erforderlich, erlaubte jedoch Herrn Ashley – aus Rücksicht auf mich wie auch auf ihn selbst –, meine Einladung hierher anzunehmen. Die Untersuchung wurde zurückgestellt. Stimmt das bis jetzt, Herr Ashley?«
    Ashley sah auf und grinste mit zusammengekniffenen Augen.
    »Kein Kommentar.«
    Orgagna sah zu Granforte, hob bedeutungsvoll die Schultern und fuhr fort:
    »Ich lud ihn aus selbstverständlicher Höflichkeit ein, aber auch, um meiner Frau Ungelegenheiten zu ersparen. Seitdem er hier ist, hat Herr Ashley nun alles getan, um sich mein Wohlwollen zu verscherzen. Er versuchte, Mitglieder meines Haushaltes zu bestechen, meine Sekretärin zu belästigen und ihren Vater des Mordversuches an ihm zu beschuldigen. Meine Bauern, die auf der Jagd waren – für ihren eigenen Bedarf übrigens –, beschuldigte er, ihn mit Drohungen gehindert zu haben, das Grundstück zu verlassen. Heute nachmittag behauptete er, ich hätte versucht, ihn zu vergiften. Dabei hatte er, wie jedes Kind feststellen konnte, nichts als eine simple Fischvergiftung, die mit drei Löffeln Rizinusöl behoben wurde. All das enthebt mich meines Erachtens Herrn Ashley gegenüber aller Verpflichtungen. Ich ersuche Inspektor Granforte daher, mich von diesem … unerwünschten Gast zu befreien.«
    Orgagna ließ sich in seinen Sessel zurücksinken und wartete.
    George Harlequin zündete sich eine Zigarette an und lächelte sanft in die spannungsgeladene Runde.
    Einen Augenblick lang betrachtete der Inspektor seine weichen Hände, dann sah er Ashley an.
    »Sie brauchen selbstverständlich nur Fragen zu beantworten«, begann Granforte, »die ich Ihnen in meinem Büro bei einer offiziellen Vernehmung stelle. Aber ich glaube, es läge in unser aller Interesse, wenn Sie auf dieses Recht verzichten und uns schon hier einige Fragen beantworten würden.«
    Ashley dachte kurz nach.
    »Gut«, erwiderte er. »Allerdings muß ich mir die Ablehnung gewisser Fragen ausdrücklich vorbehalten.«
    Granforte nickte.
    »Einverstanden! Meine erste Frage lautet: Warum haben Sie die Privatangelegenheiten Seiner Hoheit untersucht?«
    »Ich bin Journalist. Es ist mein Beruf, mich mit Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu beschäftigen.«
    »Ihre Handlungen waren also unbeeinflußt von der Tatsache, daß Sie mit der Gattin des Herzogs befreundet sind?«
    »Ja.«
    »Welche Papiere wollten Sie von Enzo Garofano kaufen?«
    »Es

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