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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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geschlossenen Augen sehen konnte, daß es sich um eine Fischvergiftung handelte.
    Rossana? Auch von ihr konnte er keine Hilfe erwarten. Alle Hoffnung darauf war für immer begraben.
    Elena Carrese? Sie würde sich, wie alle anderen, an die beste Chance halten. Gewiß, sie hatte ihm die Photokopien gegeben, doch hatte er sie wieder verloren. Er hatte sie enttäuscht. Also mußte sie versuchen, so gut wie möglich abzuschneiden. Orgagnas Angebot war noch immer das beste.
    George Harlequin? Der hatte seine eigenen Verpflichtungen. Moralische Gesichtspunkte interessierten ihn kaum. Ihm kam es auf das europäische Gleichgewicht an. Orgagna war wichtiger für ihn als irgendein hergelaufener Reporter. Wohin Ashley sich auch wandte, saßen ihm Messer an der Kehle. Messer mit höhnischen Gesichtern dahinter.
    Er gab auf. Frierend und unglücklich lag er auf seinem großen Bett und versuchte, an gar nichts zu denken.
    Als er erwachte, dunkelte es schon. Die Luft war kühler geworden, und das Licht vor den Fenstern verblasste. Sein ganzer Körper schmerzte. Er sah auf seine Uhr. Zehn nach acht. So konnte er hier nicht liegen bleiben. Er richtete sich auf. Als er neben dem Bett stand, drehte sich der Raum um ihn. Er riß sich zusammen, und der Anfall ging vorüber. Vorsichtig tastete er sich zum Bad. Das warme Wasser erfrischte ihn, und obgleich er schwach und schwindlig war, kleidete er sich sorgfältig zum Abendessen an. Mit seinen unsicher zitternden Händen brauchte er eine halbe Ewigkeit allein für die Smokingschleife.
    Ashley zündete sich eine Zigarette an und versuchte zu rauchen. Schon von den ersten Zügen wurde ihm übel. In seinem Kopf begann es sich von neuem zu drehen. Er schleuderte die Zigarette aus dem Fenster und spülte den Mund mit Mineralwasser. Bevor er das Bad verließ, warf er einen langen, kritischen Blick in den Spiegel.
    Sein Gesicht war angestrengt und verwüstet, die Haut fleckig und grau, und unter den Augen lagen tiefe, bläuliche Ringe. Seine Lippen waren blutleer und die Falten um Mund und Augen tiefer denn je.
    Ich werde alt, dachte er. Zu alt für dieses verdammte Gewerbe.
    Ich brauche einen Schreibtischposten – einen netten, hoch geachteten Posten, der einem Mann erlaubt, auf seiner Pfeife herumzukauen, sich über die jungen Sprinter lustig zu machen und ihnen mit den großen Stories der vergangenen Tage zu imponieren – und mit den noch größeren, die leider geplatzt sind.
    Ashley hörte einen Wagen die Auffahrt hochkommen. Er trat ans Fenster und sah hinaus, hatte aber ganz vergessen, daß seine Fenster zur Seeseite hin lagen, gegenüber dem Eingang. Wenn schon. Egal, wer kam. Es mochte Inspektor Granforte sein. Oder Tullio Riccioli, der von seiner nachmittäglichen Jagd auf die Touristen zurückkehrte. Wer immer es sein mochte, Ashley hatte keine Eile. Er würde ihnen Zeit lassen, ehe er hinunterging. Er stieß die Laden zurück und trat auf den engen Balkon mit dem kunstvoll geschmiedeten Gitter.
    Der Himmel war jetzt pfirsichfarben. Mit dem Einbruch der Nacht wurde es merklich kühler. Der Abendwind raschelte in den trockenen Olivenblättern. Der Rand der Klippen stand schwarz vor dem Meer und die Dienstboteneingänge lagen im tiefen Schatten. Die untergehende Sonne färbte die See flammend rot, kleine Gruppen von Fischerbooten ruderten zu den Fanggründen hinaus. Eine leichte Dunstschicht lag über Capri.
    Jetzt würden die Touristen auf der hellerleuchteten Piazza sitzen, die Eseltreiber würden heimkehren und die Mädchen ihre neuen Kleider auf der Passegiata spazierentragen. Nur ein Narr konnte im Schmutz der Zeitgeschichte nach lächerlichen Schlagzeilen herumwühlen, wenn ihm all diese Herrlichkeit für einen Pappenstiel zu Gebote stand. Doch jetzt war es zu spät für solche Gedanken. Jetzt blieb ihm nichts übrig, als seinen Weg weiterzugehen. Mit offenen Augen weiterzugehen.
    Das Ende nahte mit Riesenschritten. Es versprach ihm nichts als Demütigung und Niederlage. Er war zu fertig, zu erledigt, um sich noch etwas daraus zu machen. Er riß sich vom Fenster los und ging die Treppe hinunter in die Halle …
    Alle waren versammelt – Orgagna, Rossana, Elena Carrese, Tullio, Inspektor Granforte, George Harlequin und der alte Carlo, der mit einem Tablett Cocktails von einem zum anderen ging. Bei Ashleys Eintritt sahen alle auf. Ihre Überraschung über sein graues, eingefallenes Gesicht entging ihm nicht.
    »Nett von Ihnen, herunterzukommen, Ashley«, begrüßte ihn Orgagna

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