Die Stunde des Jägers - EXOCET
die Stufen hinunterging. »Ich komme mir auf einmal so alt vor, Harry. Was halten Sie davon? Sehr, sehr alt.«
In Buenos Aires drängten sich auf der Plaza del Congreso, vor dem Parlament, Zehntausende aufgeregter Menschen, und überall wehten blau-weiße Fahnen.
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Die Rufe der Menge übertönten sogar das laute Hupkonzert: »Argentina! Argentina!« Auf einem Balkon, in Paradeuniform, das silberne Haar zurückgekämmt, stand Galtieri, hob den Arm zum Gruß wie ein römischer Imperator und nahm den Jubel der Menge entgegen.
Dann änderte sich der Tonfall und wurde wie ein Chor anbrandender Wellen, der alles andere unterdrückte, und das Wort, das sie immer wieder beschwörend ausriefen, war »Exocet«.
Ferguson saß am Feuer und röstete Sauerteigfladen, als Fox mit einem Funkspruch in der Hand das Wohnzimmer betrat.
»Oh, ich wollte Sie sowieso sprechen, Harry. Haben wir in der Pariser Botschaft zufällig jemanden, der kein kompletter Idiot ist?«
Fox überlegte. »George Corwin ginge vielleicht, Sir. Er war Captain bei den Green Howards, als wir ihn rekrutierten. Hat in Irland einiges geleistet. Seine Mutter ist Französin, deshalb haben wir ihn nach Paris geschickt.«
»Ausgezeichnet. Er soll Montera beschatten, sobald dieser von Buenos Aires gekommen ist. Herausfinden, wo er wohnt, und mit Gabrielle Kontakt halten, bis Tony da ist. Apropos Tony, was ist da unten los?«
»Ich wollte Ihnen gerade die Depesche zeigen, Sir. Text einer Nachricht vom Gefechtsstand in San Carlos über das SASHauptquartier in Hereford.«
»Und?«
»Bestätigen Major Villiers und Sergeant Major Jackson wie befohlen unterwegs.«
»Ich möchte wissen, wie Tony reagiert hat, als man ihn so von der Front abkommandierte.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß er sehr erfreut war«, sagte Fox.
»Tony bestimmt nicht«, bekräftigte Ferguson. »Es ist schließ
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lich der einzige richtige Krieg, den er bisher bekommen hat.«
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Am Tag davor war es in den Bergen von Ost-Falkland bei Morgengrauen ganz ruhig gewesen, und das einzige Geräusch weit und breit war gelegentliches Hundekläffen, das von einer der Farmen weit unten im Tal heraufdrang.
Der SAS-Spähtrupp, der vor der Landung der Briten am 21. in San Carlos von einem U-Boot vor der Küste abgesetzt worden war, arbeitete nun schon seit zehn Tagen hinter den argentinischen Linien. Er bestand aus vier Männern: Villiers, Harvey Jackson, Corporal Elliot vom Königlichen Fernmeldekorps und einem Soldaten namens Jack Korda, der sich wie Villiers und Jackson freiwillig von seiner Stammeinheit, den Grenadier Guards, zum Special Air Service Regiment gemeldet hatte.
Es war bitterkalt. Villiers hatte beim Erwachen festgestellt, daß sein Schlafponcho mit Reif bedeckt war. Er stand jetzt in der Senke neben einer kleinen Höhe, kaum mehr als eine Felsspalte, wo Korda auf einem Spirituskocher Tee machte.
Villiers hatte wie die anderen eine dicke schwarze Wollmütze auf, die Ohren und Hals bedeckte, aber mehr wegen der Kälte als zu Tarnungszwecken. Seine Geländemontur war klitschnaß, und seine Finger waren taub vor Kälte, als er aus einem Blechnapf sein Frühstück löffelte. Jackson saß mit gekreuzten Beinen auf der Erde und schabte sich mit einem Rasierer Schaum vom Kinn.
Villiers’ Löffel kratzte am Boden des Blechnapfs. Er tat beides in seinen Rucksack zurück und nahm den Becher mit Tee, den Korda ihm reichte.
»Ich habe für den Rest meines Lebens genug Hühnersuppe gegessen. Was ist mit dir, Harvey?«
»Oh, sie nährt mich so gut wie alles andere«, antwortete
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Jackson. »Essen ist nicht so wichtig, wie manche Leute meinen. Als ich mit siebzehn Jahren anfing und in die Gardemesse gehen mußte, war der Fraß so scheußlich, daß ich mir abgewöhnt habe, über Essen nachzudenken.«
Elliot hockte am Funkgerät, und Villiers trat zu ihm. »Alles in Ordnung?«
Elliot blickte hoch und nickte. »Ich lasse es gleich abgehen.«
Die Aufgabe der Männer war einfach genug: möglichst viel über die argentinischen Truppenbewegungen in ihrem Gebiet herauszufinden. Diese Informationen würden außerordentlich wichtig sein, wenn britische Einheiten vom Brückenkopf in San Carlos aus ins Landesinnere vorstießen.
Elliots elektronische Ausrüstung war supermodern. Das wichtigste Gerät war eine winzige Tastatur, eine MiniaturSchreibmaschine, mit der er Nachrichten eintippte, die
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