Die Stunde des Löwen
eine Box mit Kleenex-Tüchern und ein Päckchen Kondome lagen.
»Republica Moldavia.«
»Moldavia. Thatâs good. Thatâs absolutely perfect. Today, I need only somebody to talk to. Moldawien â¦Â« Leise lachend lieà er sich auf dem mit weiÃem Flokati überzogenen Sitzwürfel nieder. »Nach Moldawien ist Bruckner immer zum Jagen gefahren. Er ist übrigens schuld daran, dass ich mittlerweile einige Verbrechen auf dem Kerbholz habe.« Er machte eine Pause, während der er sie aufmerksam musterte. Als sie auf seine kleine Offenbarung nicht reagierte, fuhr er fort: »Schwere Verbrechen, für die man lebenslänglich hinter Gitter wandert.« Er beobachtete, wie sie mit teilnahmsloser Miene einen Lipglossstift aus der Nachttischschublade holte und sich die Lippen befeuchtete. »Whatâs your name, honey?«
»Heidi.«
»Heidi.« Er lachte. »Thatâs brilliant. Thatâs really brilliant.«
Anscheinend animiert durch sein Lachen, fuhr sich die junge Frau mit dem Lipglossstift über die Brustwarze, die sich sofort aufrichtete.
»Lass das. No sex. Ich will nur reden. Und das geht nun mal leider nur mit so jemandem wie dir. WeiÃt du, es dauerte nicht lange, bis ich von dem Job bei den Bruckners die Schnauze voll hatte. Aber ohne Geld oder die Aussicht auf einen anderen Job war ich erst mal gezwungen zu bleiben. Von der Dankbarkeit der beiden war schon nach wenigen Wochen nicht mehr viel zu spüren. Dafür aber wurde Amelie Bruckner mir gegenüber auf eine seltsame Art und Weise zutraulich. Manchmal strich sie mir im Vorbeigehen über den Arm. Oder zwinkerte mir zu. Mit Komplimenten war sie eh nicht geizig. Ich sei ein richtiger Sascha-Hehn-Typ, sagte sie immer. Und bei mir müssten die Frauen ja Schlange stehen. Anfangs hat mir das geschmeichelt. Doch mit der Zeit wurde es mir unangenehm, dass sie hinter dem Rücken ihres Mannes mit mir flirtete. Ich begann mich allmählich zu fragen, was sie damit bezweckte. Ob sie sich nur einen Spaà erlaubte oder tatsächlich dachte, ich könnte mich allen Ernstes für eine über fünfunddreiÃig Jahre ältere Frau interessieren. Unangenehm war mir Amelies Verhalten aber noch aus einem anderen Grund. Ich war mir nicht ganz im Klaren darüber, wie ihr Hugo reagieren würde, wenn er eines Tages von den Mätzchen seiner Frau Wind bekäme. Mein erster Eindruck von ihm auf der MS Merdiva hatte sich zwischenzeitlich komplett gewandelt. Je besser ich ihn kennenlernte, desto bewusster wurde mir, dass er nicht der nette, pietätvolle Bestatter war, für den ihn ganz Frankfurt offenbar hielt. Unter seiner glatten Oberfläche schlummerte etwas Rücksichtsloses. Rätselhaft fand ich auch, wie der Mann nur mit Bestattungen so ein riesiges Vermögen hatte scheffeln können. Dass er zig Millionen schwer sein musste, sah man schon allein an seiner pompösen Villa. Und dass er seine Finger in illegalen Geschäften haben musste, belegt auch folgende Geschichte: 2005, in der Woche nach Ostern, stand Bruckner wieder einmal kurz vor dem Aufbruch zu einer seiner ominösen Reisen. Zu einem jener spontanen Kurztrips, von denen niemand so recht wusste, wohin sie führten. Jedenfalls ging es nicht mit seinen Freunden zum Jagen. Das Ziel war wie immer streng geheim. Mir hatte er an jenem Tag freigegeben. Doch zufällig verstauchte er sich kurz vor der Abreise im Bad den FuÃ. Das Gelenk schwoll dermaÃen stark an, dass er weder selbst fahren noch den Zug nehmen konnte. Er entschied sich also, doch noch auf meine Fahrdienste zurückzugreifen. Zürich hieà das Ziel. Nach einer beklemmend schweigsamen Fahrt bat er mich, ihn an einem Taxistand in der Innenstadt abzusetzen. Mit dem knappen Verweis, dass er in wenigen Stunden anrufen und mir mitteilen würde, wo ich ihn abholen sollte, humpelte er auf einen Stock gestützt zu einem Taxi und stieg ein. Dass Bruckner so einen Affenaufwand trieb, nur damit ich nicht mitbekam, wohin er wollte, machte mich natürlich neugierig. Ich folgte dem Taxi in sicherem Abstand und war gar nicht mal überrascht, als es in der BahnhofstraÃe vor dem Hauptsitz der UBS anhielt. Etwa eine halbe Stunde später kam Bruckner mit einer Tasche in der Hand wieder aus dem Bankgebäude. Von einem anderen Taxi lieà er sich zu einem Café am See chauffieren. Dort traf er sich mit einem Mann, dem er die Tasche übergab. Das
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