Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
dem davonfahrenden Wagen nach. »Der hätte todsicher angehalten! Wenn ihr Idioten nicht bald abzischt und mich in Ruhe lasst, mach ich heut Nacht keinen müden Penny!«
»Okay, aber zuerst musst du uns noch Hollys Nachnamen und ihre Adresse verraten.«
Joanna blickte die leere Straße hinunter, an deren Ende die Rücklichter des Autos gerade um die Kurve verschwanden. Sie leckte sich die Lippen, dann sah sie Logan an. In ihren Augen lag wieder dieses hungrige Blitzen. »Das kostet aber was.«
Am Ende musste Logan Hollys angebliche Schulden begleichen: fünfzig Pfund und eine Schachtel Zigaretten. Dafür bekam er die Adresse einer Sozialwohnung in Froghall, einem Stadtteil von Aberdeen mit nicht ganz astreinem Ruf. Es gab keine Gewissheit, dass Holly aus Froghall tatsächlich vermisst wurde, aber das Risiko durfte er nicht eingehen. Er rief im Präsidium an und bat die Leitstelle, einen Streifenwagen zu der Adresse zu schicken. Wenn Holly den Beamten in einem Nonnen-Outfit aus Gummi die Tür öffnete, würden sie wenigstens wissen, dass sie noch lebte. Er lehnte sich im Beifahrersitz des Einsatzwagens zurück, um auf den Bericht zu warten, und seine Lider wurden schwerer und schwerer, während Rennie WPC Menzies im Auge behielt, die am anderen Ende der Shore Lane stand.
Kurz nach eins wachte er auf, steif und mit schmerzenden Gelenken vom Schlafen auf dem unbequemen Autositz. Laut Rennie war es auf den Straßen relativ ruhig geblieben. Das Geschäft boomte nicht gerade im Aberdeener Rotlichtbezirk. Logan gähnte. Gott sei Dank hatte er morgen endlich einen freien Tag – diesen Schlauch hätte er unmöglich noch länger durchstehen können. Er massierte seinen steifen Nacken und meldete sich dann über Funk beim Rest des Teams. Rennie hatte recht gehabt – es war schon ein ruhiger Abend gewesen, aber die Nacht war noch ruhiger, um nicht zu sagen tot.
Die Leitstelle meldete sich um halb zwei: Alpha Zwo-Null war zu der Adresse in Froghall gefahren, aber es war niemand zu Hause. Sie würden es später noch einmal versuchen, falls nichts Dringenderes dazwischenkäme, aber Logan sollte sich nicht allzu große Hoffnungen machen. Die Operation Aschenputtel zog ohnehin schon eine Menge Personal von der Nachtschicht ab, und sie mussten schließlich auch noch den Rest der Stadt abdecken.
Gegen drei Uhr früh vertrieben Davidson und Menzies sich die Zeit, indem sie über Funk »Ich seh etwas, was du nicht siehst« spielten. Der Rest des Teams amüsierte sich unterdessen mit der Frage: »Lieber tot als mit der?« Dabei fielen Namen wie Saddam Hussein, die Queen, Margaret Thatcher, Homer Simpson, Oprah Winfrey und einmal auch DI Insch. Erwartungsgemäß wäre die Mehrheit der Mitspieler eher in den Tod als mit ihm ins Bett gegangen. Schließlich brach Logan die Operation ab und schickte alle zurück ins Präsidium.
Er überließ es Rennie, den Wagen zu parken, und eilte gleich hinauf in Steels Einsatzzentrale. Nichts zu sehen von ihr – offenbar verhörte sie immer noch Chib und seinen Kumpel. Logan sah auf seine Uhr: Es blieb ihnen nur noch etwas mehr als eine Stunde, dann würden sie entweder formell Anklage erheben oder das Pärchen laufen lassen müssen. Ein gelangweilt wirkender Constable lehnte schlaff an der Wand vor dem Vernehmungsraum 3, las den Evening Express und nuschelte halblaut »Morgen, Sir«, als er Logan den Flur entlangkommen sah. »Suchen Sie DI Steel?«
»Ja, ist sie da drin?« Logan wies über die Schulter des Mannes auf die Tür.
»Nee, bloß dieser Chib. Die DI ist mit dem anderen in Nummer zwei.«
»Wissen Sie, ob er schon irgendwas gestanden hat?«
»Glaub ich kaum – der Typ hat den ganzen Abend kein Wort gesagt. War ungefähr so spannend wie ’ne Webcam im Leichenschauhaus.«
Keine große Überraschung. Logan konnte sich kaum vorstellen, dass jemand mit einem Ruf wie Chib plötzlich zusammenbrechen und alle seine Sünden beichten würde. Er klopfte an die Tür von Nummer zwei und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. DI Steel fläzte sich mit verschränkten Armen auf ihrem Stuhl und starrte den Mann auf der anderen Seite des Tisches finster an. Er trug einen Spusi-Overall, in dem er sich allerdings ganz wohlzufühlen schien – als sei das hier eine Pyjama-Party für Betroffene von Alien-Entführungen. In der Ecke stand eine uniformierte Polizistin, die nicht minder gelangweilt wirkte als der Constable draußen auf dem Flur. Anscheinend war Chibs Freund auch nicht sonderlich
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