Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
wurde.
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»Na, mein Goldschatz?« DI Steel stand am Fenster ihres Büros und paffte verbotenerweise eine Zigarette, während sie den vorläufigen Bericht der Spurensicherung über die Haarproben aus Neil Ritchies nagelneuem Audi durchlas. Sie stimmten in allen Punkten mit denen überein, die sie aus einer Bürste in Holly McEwans Wohnung entnommen hatten. Steel wandte sich um und strahlte Logan an, als er ins Zimmer trat. Streng genommen erschien er mit anderthalb Stunden Verspätung zum Dienst, doch nachdem er an zwei Tagen gearbeitet hatte, an denen er eigentlich freigehabt hätte, hielt er das für durchaus entschuldbar. Und außerdem hatte er den Zeitpunkt der Begegnung mit Steel möglichst lange hinausschieben wollen. Dieses blinkende rote Licht – als er um halb fünf Uhr morgens endlich den Mut aufgebracht hatte, die Nachricht abzuhören, hatte ihm eine Tonbandstimme mitgeteilt, dass er gewonnen habe: eine Karibik-Kreuzfahrt, fünftausend Pfund in bar oder eine Urkunde, die ihn als leichtgläubigsten Trottel der Welt auswies. Er hatte nicht zurückgerufen.
Steel winkte ihn zu sich und grinste ihn an. »Lazarus – Sie sind genau der Mann, auf den ich mein ganzes Leben gewartet habe …« Sie hielt inne und sah auf ihre Uhr. »Na ja, jedenfalls seit sieben. Ist ja auch egal«, fuhr sie fort. »Jetzt sind Sie ja hier.«
Logan runzelte die Stirn. Das war nicht ganz der Empfang, den er erwartet hatte. Warum hatte die DI ihm noch nicht den Kopf abgerissen? »Äh …« Ein Themenwechsel schien ratsam. »Was haben Sie Ritchie zur Last gelegt?« Ohne Leiche würde es schwierig sein, eine Verurteilung zu erreichen.
»Noch gar nichts. Ob Sie’s glauben oder nicht – er ist immer noch freiwillig hier! Wir haben ihn noch gar nicht offiziell in U-Haft genommen!« Sie strahlte wie eine Kaufhausfassade im Advent. »Ist das cool oder was?« Die sechs Stunden, die sie Ritchie nach dem Gesetz festhalten durften, liefen erst in dem Moment an, in dem er formell in Haft genommen wurde. Er war immer noch freiwillig hier; unter diesen Umständen könnten sie ihn so lange dabehalten, wie sie wollten. Oder wenigstens so lange, bis er darum bat, gehen zu dürfen. »Hat uns die halbe Nacht vorgejammert, er sei unschuldig, es sei alles ein einziger fürchterlicher Irrtum.« Sie grinste. »Ich hab ihn von diesem aufgeblasenen Affenarsch Bushel vernehmen lassen. Der alberne Brillenheini hätte sich fast in die Hose gemacht vor Aufregung, weil er endlich seinen kriminalpsychologischen Scheiß anbringen konnte. Ritchie passt haargenau ins Profil: abwesende Mutter, dominanter Vater, der gerne zu Nutten geht, unglückliche Kindheit, bla, bla, bla, niemand hat ihn geliebt. Das Übliche eben.«
»Moment mal – laut Profil müsste der Täter einer niederen Arbeit nachgehen; Ritchie ist aber Logistiker!«
»Na und? Profiling ist ja schließlich keine exakte Wissenschaft, oder? Ist ja auch egal – wir haben Beweise, die ihn mit Holly McEwan in Verbindung bringen; die Staatsanwältin ist einverstanden: Ritchie ist unser Mann.«
»Und was ist mit Michelle Wood und Rosie Wiliams?«
»Machen Sie’s doch nicht so kompliziert. Wir haben immer noch Jamie McKinnon, falls wir Ritchie nicht alle drei Nuttenmorde anhängen können. Und inzwischen …« Sie kramte in dem Papierchaos auf ihrem Schreibtisch herum, bis sie einen Zettel mit einer Adresse gefunden hatte. »Ritchie behauptet, er habe sein chromblitzendes neues Gefährt noch gar nicht gehabt, als Holly verschwand. Wahrscheinlich lügt er wie gedruckt, aber ich will das trotzdem überprüft haben. Und nehmen Sie Rennie mit, der geht mir heute Morgen tierisch auf die Titten.«
Das Autohaus Wellington Executive Motors war ein eingeschossiger Glaskasten, innen und außen gesäumt von Automobilen der Spitzenklasse, von denen jedes mehr kostete als Logans Dreizimmerwohnung. Der Ausstellungsraum befand sich an der Crawpeel Road in Altens, einem Industriegebiet an der Küstenstraße südlich von Aberdeen, wo es von Zulieferfirmen der Ölindustrie nur so wimmelte. Riesige architektonische Monstrositäten aus Stahl und Glas erhoben sich hoch über Lagerhallen und Firmenparkplätzen – errichtet von den großen Ölkonzernen, die jedem demonstrieren mussten, wer der Boss war. Aber so früh an einem Sonntagmorgen war Wellington Motors das einzige Haus, das geöffnet hatte.
Logan grübelte immer noch darüber nach, wieso DI Steel ihn nicht in die Pfanne gehauen hatte, obwohl er sie bei Insch
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