Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
Anfang, wie?« Miller gab keine Antwort, und der Edinburgher Gangster zuckte nur mit den Achseln. »Okay, Greg, du kannst ihm die Hände losbinden.«
O Gott, seine Hände! Jemand machte sich an dem Kabelbinder zu schaffen, mit dem seine Handgelenke an die Stuhllehne gefesselt waren, und dann waren sie frei. Er nahm sie nach vorne, um nachzusehen, wie schlimm sie verbrannt waren. Und schrie wieder, als die Erinnerung schlagartig zurückkam. Der brennende Schmerz, das Knacken und Knirschen beim Durchtrennen der Knochen und Sehnen.
»O Mann, geht das Geschrei schon wieder los?«
Diesmal ließ Greg sich nicht lange bitten. Er ballte die Faust und ließ sie in Millers Gesicht krachen. Der Getroffene stürzte seitwärts zu Boden, immer noch mit den Knöcheln an den Stuhl gefesselt, und blieb zusammengekrümmt auf dem Waldboden liegen. Schluchzend starrte er auf seine verstümmelten Hände.
»Also, Colin, wir haben nur noch zwei Punkte auf der Tagesordnung, dann sind wir hier fertig. Zunächst mal das hier …« Chib ging in die Hocke und hielt Colin ein Foto vor die Nase, sodass ihm die Sicht auf seine Fingerstummel verdeckt war. Ein Foto aus Millers Brieftasche: Isobel auf einem Hotelbalkon in Spanien. In der oberen rechten Ecke, wo Chib es mit seinem Gummihandschuh angefasst hatte, befand sich ein verschmierter Blutfleck. »Gut aussehende Frau. Also passen Sie auf, Colin: Wenn ich auch nur denke , dass Sie wieder mit der Polizei zusammengesteckt haben, dann werde ich mir zuerst Sie noch mal vornehmen, und dann werde ich Ihre hübsche Freundin sehr, sehr hässlich machen.« Er zog das Foto zurück, küsste es und steckte es in die Innentasche seiner Jacke. »Punkt zwei ist auch rasch erledigt; wir wollen hier nur ein bisschen aufräumen.« Etwas Hartes, Kaltes prallte von Colins Gesicht ab, dann noch einmal, dann ein drittes und ein viertes Mal. Fingerstücke, jedes nur einen einzelnen Knochen lang, regneten von oben herab. »Ich will, dass Sie sie aufessen.«
Zitternd starrte Miller auf die bleichen Zylinder hinunter, die vor ihm auf der Erde lagen. Vier davon waren nur Fingerspitzen – vom Nagel bis zum ersten Gelenk; dazu drei Mittelstücke und zwei erste Glieder, noch mit Resten der Sehne, die sie mit dem Knöchel verbunden hatte. Und dieser kleine Schelm, der isst sie alle auf … »Ich … ich kann nicht!« Er schluchzte. »O Gott, bitte, ich kann das nicht …«
Chib lächelte nachsichtig auf ihn herab. »Na, na, wir wollten doch nicht mehr jammern. Nun seien Sie ein braver Junge und essen Sie auf, damit wir alle nach Hause kommen.«
Colin streckte die zitternden Hände aus, griff mit den blutverschmierten Stummeln unbeholfen nach seinen eigenen abgetrennten Fingern. Wieder stieg Übelkeit in ihm auf. »O Scheiße, Mann, meine Hände … meine Hände, Scheiße …«
»Langsam reißt mir der Geduldsfaden, Colin. Entweder Sie essen sie jetzt, oder ich schneide Ihnen noch ein Glied ab und lasse Sie das auch essen.« Er wedelte mit der Geflügelschere vor Colins Nase herum. Der rostfreie Stahl war mit Blut verschmiert. »Je länger Sie hier rumtun, desto weniger Finger bleiben Ihnen am Ende.«
Zwei Stücke – eine Spitze und ein Mittelglied – lagen in seiner zitternden, blutbefleckten Hand, das Fleisch kalt und weiß, die Enden schwärzlich rot. Knochen und Knorpel schimmerten durch. »O Gott … Man könnte … man könnte sie wieder dranmachen! Man könnte sie wieder annähen!« Eine Hand griff ihm in die Haare und drehte seinen Kopf, bis er in Chib Sutherlands grinsendes Gesicht blickte.
»Wissen Sie was – das könnte man vielleicht wirklich machen.« Das Grinsen wurde breiter. »Ich lasse ja mit mir reden. Wie wär’s, wenn Sie sich drei Stücke aussuchen, die Sie behalten dürfen? Das ist so viel wie ein ganzer Finger! Nennen wir es eine vertrauensbildende Maßnahme. Das ist doch wirklich ein faires Angebot, oder nicht?«
Die Tränen strömten Colin übers Gesicht und zogen helle Bahnen durch die Kruste aus Dreck und Blut. »Ich kann nicht …« Seine Stimme war zaghaft, gebrochen. Und dann ein schriller Schrei, als Chib sein linkes Handgelenk packte, die Hand hochriss und das oberste Glied des Zeigefingers in der geöffneten Schere einklemmte.
»So, jetzt suchen Sie sich Ihre drei Stücke aus, und dann essen Sie den Rest Ihrer Finger auf. Verstanden?«
Schluchzend wie ein verängstigtes Kind klaubte Colin die Überreste seiner massakrierten Hände auf und tat, was ihm befohlen
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