Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
bewusst Ritchies Körperhaltung, indem er sich vorbeugte, »wie geht’s uns denn so, Neil?«
Der Mann stierte in seinen Tee und beobachtete, wie sich auf der Oberfläche langsam ein dünner Film bildete. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Sie … sie haben mich mit einem Kriminellen in eine Zelle gesteckt. Er hat jemanden erstochen! Er hat mir gesagt, dass er jemanden erstochen hat …« Neil Ritchie verzog das Gesicht, kämpfte gegen die Tränen an. » Ich gehöre nicht hierher! Ich habe nichts getan!«
Das war genau die gleiche Nummer, die er bei DI Steel abgezogen hatte – beteuern, dass er völlig unschuldig sei, und den gleichen Spruch bis zum Erbrechen wiederholen. Logan musste sich Mühe geben, seine verständnisvolle Miene zu wahren. »Was ist mit Holly McEwan, Neil? Man hat ihre Haare in Ihrem Wagen gefunden, auf dem Beifahrersitz. Wie sind sie da hingekommen, Neil? Helfen Sie mir, zu verstehen, wie sie da hingekommen sind, dann kann ich vielleicht Ihnen helfen. Haben Sie sie in Ihrem Wagen mitgenommen?«
»Nein!« Es klang wie ein Stöhnen. »Ich habe nie irgendetwas mit diesen Frauen gemacht – das habe ich Suzanne versprochen. Nie wieder. Niemals.«
»Aber man hat ihre Haare in Ihrem Wagen gefunden, Neil.« Logan lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, nippte an seinem lauwarmen Tee und ließ das Schweigen anwachsen.
Ritchie schüttelte sich. »Ich habe ihr – Ihrer Vorgesetzten – gesagt, dass es passiert sein muss, bevor ich den Wagen bekam!« Er fixierte Logan, und in seinen Augen glitzerten Tränen. »Jemand anderes muss sie mitgenommen haben! Ich war es nicht … ich war es nicht …«
»Ihr Wagen ist fabrikneu, Neil. Er wurde Ihnen vom Autohaus nach Hause geliefert, und zwar um neunzehn Uhr an dem Abend, als Holly verschwand. Und es gibt ein Video, das beweist, dass sie fünfeinhalb Stunden später in Ihrem Wagen mitgenommen wurde.«
»Nein! Nein! Es … der Wagen wurde erst am nächsten Morgen geliefert! Ich bin aufgewacht, und da stand er in der Einfahrt. Eigentlich hätte er schon am Dienstagabend da sein sollen – ich musste mit dem Motorrad zum Einkaufen fahren. Ich wollte mich eigentlich beim Autohaus beschweren, aber sie haben sich mit einer Karte und einer Flasche Champagner entschuldigt …«
Lügen. Logan lehnte sich wieder zurück und beobachtete Ritchie, der jetzt davon schwafelte, dass es ihm unangenehm sei, sich zu beschweren – natürlich, das passte zu so einem passiv-aggressiven Scheusal, wie er es war. Seltsame Vorstellung, dass dieses zitternde Häufchen Elend drei Frauen brutal ermordet hatte – und außerdem Skanky Agnes Walker fast zu Tode geprügelt. »Was ist eigentlich aus Ihrem alten Auto geworden, Neil?«, unterbrach er Ritchies unentwegtes Gejammer. Er wäre jede Wette eingegangen, dass es randvoll mit belastenden Spuren war. »Als Sie sich den Audi gekauft haben – was haben Sie da mit Ihrem alten Wagen gemacht?«
Der Mann sah ihn verwirrt an. »Ich … ich hatte davor gar kein Auto. Schon seit Jahren nicht mehr. Ich bin immer mit dem Motorrad gefahren. Den blöden Audi habe ich nur gekauft, weil Suzanne mir immer in den Ohren gelegen hat, ich sollte endlich erwachsen werden …« Er schluchzte. »O Gott, wieso habe ich bloß auf sie gehört?«
Logan saß da und starrte ihn an. Und dann sagte er sehr langsam und betont: »Ach du Scheiße.«
Fünf Minuten später platzte Logan in den Vernehmungsraum und befahl Rennie, alles stehen und liegen zu lassen und mitzukommen. Der verdutzte Constable wies auf das schmierige Individuum, das ihm am Tisch gegenübersaß. »Aber …«, stammelte er, »ich bin mitten in einer Vernehmung!«
Logan schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht mehr. Und außerdem«, fügte er mit einem flüchtigen Blick auf den Gefangenen hinzu, »ist Dirty Duncan hier sowieso nicht unser Mann. Der könnte keiner Fliege was zuleide tun, was, Dunky?« Der Mann grinste nervös und murmelte eine Entschuldigung, während er sich mit den Händen eifrig unter dem Tisch zu schaffen machte. Logan scheuchte Rennie von seinem Stuhl hoch.
»Aber –«
»Nix aber. Dunky war mit Sicherheit viel zu sehr damit beschäftigt, sich um den Verstand zu wichsen, als dass er irgendetwas gesehen hätte. Nicht wahr, Dunky?« Dirty Duncan Dundas nickte verschämt, und seine Schultern zitterten, während er unter dem Tisch an sich herumrubbelte. Sie sahen zu, dass sie Land gewannen, ehe er fertig war.
»Aber ich verstehe das nicht!«, jammerte Rennie auf
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