Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
dem Weg zurück zum Wagen. »Was ist denn passiert?«
»Irgendjemand hat ganz gewaltig Mist gebaut, das ist passiert.« Logan deutete mit dem Daumen zurück in die Richtung, aus der sie kamen. »Dieser nagelneue Schlitten, den Neil Ritchie sich gekauft hat, Sie wissen schon – das ist sein erstes Auto seit Jahren. Er fährt normalerweise nur Motorrad, und seine Frau hat einen winzigen Kleinwagen mit Hecktür.«
»Und?«
»Skanky Agnes: Ihre Mitbewohnerin hat ausgesagt, der Typ, der sie zusammengeschlagen hat, hätte einen dicken, protzigen BMW gefahren. Glauben Sie, dass man den mit einem Renault Clio verwechseln könnte?«
Rennie dachte darüber nach. »Ach du Kacke.«
»So was Ähnliches hab ich auch gesagt.«
»Dann stehen wir also wieder ganz am Anfang!«
»Nein.« Logan grinste wieder. »Das nicht – ganz und gar nicht!«
Der Glas-und-Chrom-Palast von Wellington Executive Motors gleißte im Sonnenschein, nur noch überstrahlt von den auf Hochglanz polierten Luxuskarossen, die drumherum arrangiert waren. Der bekannte Vivaldi-Soundtrack begrüßte sie, als sie die Tür zum Ausstellungsraum aufstießen, doch die Verkäuferin blieb auf Distanz. Offenbar hatte sie aus dem letzten Besuch der beiden gelernt – McRae und Rennie waren nicht gekommen, um Geld auszugeben.
Mr. Robinson, der Geschäftsführer, war auch nicht gerade erfreut, sie wiederzusehen. Er scheuchte sie in sein Büro, ehe sie den zahlenden Kunden die Kauflaune verderben konnten. »Was ist denn nun schon wieder?« Er zog das Rollo herunter und kappte die Blickverbindung zum Ausstellungsraum.
»Ihre Angestellten«, sagte Logan. »Haben die eigentlich Zugang zu den Autos? Auch außerhalb der Geschäftszeiten?«
Mr. Robinson befeuchtete mit der Zungenspitze seine Lippen und machte mehrmals »Äh …«. Dann sagte er: »Wir legen unserem Verkaufspersonal nahe, die Vorführmodelle zu fahren und die Bedienungsanleitungen zu studieren, damit sie sämtliche auftretenden Fragen beantworten können.« Er lächelte zuckersüß. »Das ist alles Teil der Unternehmensphilosophie von Wellington Executive Motors; wir –«
»Der Mann, der Neil Ritchies Wagen ausgeliefert hat …« Logan konsultierte seine Notizen. »Michael Dunbar – was für einen Wagen fährt der?«
»Er, ähm …« Kleine runde Schweißperlen traten auf Robinsons Stirn. »Da müsste ich nachsehen.«
»Tun Sie das. Und wenn Sie schon mal dabei sind – ich will eine Liste sämtlicher Wagen, die er in den letzten zwei Monaten gefahren hat. Und seine Personalakte will ich auch sehen.« Logan setzte sich in einen der bequemen, für besondere Kunden reservierten Ledersessel und lächelte, während die Schweißtropfen von Mr. Robinsons Stirn herabrannen und über seine Hängebacken liefen. »Ach ja, und wir nehmen gerne einen Cappuccino.«
Aus den Unterlagen der Firma ging hervor, dass sie Michael Dunbar jede Woche einen anderen Wagen zur Verfügung gestellt hatten: mal einen Lexus, mal einen Porsche oder einen Mercedes – aber in der Woche, als Skanky Agnes attackiert worden war, hatte er einen silberfarbenen BMW gefahren. »Aha«, sagte Logan. »Und wo ist er heute?«
Mr. Robinson zerzauste mit einer nervösen Handbewegung die dünnen Strähnen, die sich über seine Glatze zogen. »Ich verstehe bloß nicht, wozu das alles gut sein soll. Ich meine, es ist völlig ausgeschlossen, dass jemand von meinen Angestellten …«
»Wo ist er?«
»Er, äh … er hat sich heute Morgen krankgemeldet: Migräne. Seit seiner Scheidung leidet Michael bisweilen unter Migräneanfällen …«
Logan überflog die Arbeitszeitnachweise der letzten zwei Wochen für den Ausstellungsraum. »Sieht aus, als hätte er sich letzten Mittwoch auch krankgemeldet.« Einen Tag, nachdem Holly McEwan verschwunden war, vermutlich entführt und ermordet. »Auch ein Migräneanfall?« Mr. Robinson nickte. Logan sah noch einmal genau nach: Jedes Mal, wenn eine Prostituierte entführt und ermordet worden war, hatte Michael Dunbar sich am nächsten Tag krankgemeldet. Und heute hatte er sich wieder wegen Migräne freigenommen. Das bedeutete vermutlich die nächste Leiche.
In der Garage läuft das Radio – Classic FM spielt Didos Klage . Dame Janet Baker lässt jedes Wort in der Luft schweben wie ein sterbendes Juwel. Er summt die Melodie mit, während er den Teleskopschlauch des Staubsaugers wegpackt und das Gerät ins Haus zurückträgt, um es in dem Schrank unter der Treppe zu verstauen. Seit Tracy ihn … Seit der
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