Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
»rauchen« durchgestrichen und durch ein hingekritzeltes »wichsen« ersetzt worden. Ausgesprochen niveauvoll.
Logan füllte den Wasserkocher und schaltete ihn ein. Im Schrank waren keine sauberen Tassen zu finden, aber hinter einer Sammlung vergilbter Kaffeefilter hatte jemand eine Packung Schokocookies versteckt, von denen Logan sich gleich ein paar sicherte. Ein lautes Niesen ertönte vom Flur, und er konnte die Kekse gerade noch in der Tasche verschwinden lassen, ehe die Tür zur Teeküche aufging. Es war die Sozialarbeiterin, mit der er bei seinem letzten Besuch gesprochen hatte, und sie sah immer noch aus, als hätte sie Schnupfen im Endstadium. Logan klatschte sich ein Lächeln ins Gesicht. »Hallo, ich suche bloß ein paar saubere Tassen«, sagte er, bemüht, eine schokocookiefreie Erklärung dafür zu liefern, dass er in fremden Schränken herumstöberte.
»Hier? Vergessen Sie’s.« Sie putzte sich die Nase mit einem schmuddeligen grauen Taschentuch und tippte den brodelnden Wasserkocher an. »Sie werden sich welche spülen müssen.« Was Logan auch tat. Er suchte sich zwei aus, die nicht so aussahen, als wären sie als Nachttöpfe zweckentfremdet worden, und wusch sie mit heißem Wasser aus.
»Immer noch allein im Büro?«, fragte er, um die Zeit, bis das Wasser kochte, mit Smalltalk zu überbrücken.
»Wie üblich.« Sie kippte einen Berg löslichen Kaffee in eine riesige Tasse. » Margaret kann heute nicht kommen. Margaret hat schließlich die Grippe.« Auf den Kaffee kam noch eine gesundheitsgefährdende Menge Zucker. »Einen fetten Kater wohl eher, wenn Sie mich fragen …«
»Sagen Sie«, fragte sie, als sie zusammen über den Flur zurückgingen, »sind Sie wegen was Bestimmtem hier?«
»Erinnern Sie sich an Jamie McKinnon?
»O Mann, wie könnte ich den vergessen! Wegen dem Kerl muss ich schließlich zu der verdammten Anhörung antanzen.« Sie zog die Stirn in Falten, schniefte und fuhr in quengelndem Ton fort: »›Wieso wurde er nicht besser bewacht? Wieso konnte er auf dem Gefängnisgelände Selbstmord begehen? Wieso hat man zugelassen, dass er in den Besitz von Drogen gelangte?‹ Als ob er einen verdammten schriftlichen Antrag gestellt hätte!«
»Wenn es Sie irgendwie tröstet – wir glauben, dass er ermordet wurde. Wir befragen jeden, der zu dem Zeitpunkt draußen im Hof war.«
Sie lachte nur. »Na, dann viel Glück – das können Sie gebrauchen.« Sie hatten die Tür des Vernehmungsraums erreicht. »Ich muss jetzt jedenfalls zurück zu meinem blöden Papierkram«, fuhr sie fort. »Jeder einzelne von den Typen hier muss seit der Sache mit Jamie McKinnon neu auf ›Suizidgefahr‹ untersucht werden.« Wieder ein bitteres Lachen. »Und weiß es vielleicht irgendwer zu schätzen, dass ich den ganzen Laden hier allein schmeiße? Denkste!«
Logan knurrte und zog eine finstere Miene, die ihrer in nichts nachstand. »Wem sagen Sie das«, erwiderte er. Diese blöde Steel und ihr … Da kam ihm eine Idee. »Was ist mit Neil Ritchie? Wird der auch wegen Selbstmordgefahr beobachtet?«
Sie war einen Moment verwirrt. »Ritchie …? Ach, der ›Shore-Lane-Stalker‹? Allerdings – der Mann ist total fertig. Ein Todesfall unter den Gefangenen ist mehr als genug für eine Woche.«
Ein grimmiges Lächeln erschien auf Logans Zügen. DI Steel hatte aus Ritchie kein Geständnis herausholen können, aber sie war schließlich auch zu blöd, um einen Popel aus ihrer eigenen Nase herauszuholen. Wenn er es jetzt schaffte, Ritchie zum Singen zu bringen, würden sie ihn aus dem Versagerclub entlassen müssen. »Meinen Sie, ich kann mal kurz mit ihm sprechen?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Wüsste nicht, was dagegen spricht. Schaden kann’s ja nicht.«
Nein, dachte Logan, schaden konnte es ganz bestimmt nicht.
36
Neil Ritchie sah beschissen aus: zusammengekrümmt, mit dunkellila Ringen unter den blutunterlaufenen Augen und wirren, zerzausten Haaren schaukelte er auf einem knarrenden Plastikstuhl vor und zurück. Die ganz normalen Alltagsgeräusche eines überfüllten Gefängnisses sickerten durch die Wände des Vernehmungsraums herein, und in der Ecke klackte und ratterte ein vorsintflutlicher gusseiserner Radiator kraftlos vor sich hin. Und das surrende Tonband zeichnete alles für die Nachwelt auf. Der Tee, den Logan für Rennie gemacht hatte, stand vor dem zitternden Mann, zusammen mit einem der geklauten Schokokekse, doch er hatte beides noch nicht angerührt. »Na«, fragte Logan und imitierte
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