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Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Titel: Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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sagt, sie haben ihn vor dem Haus geschnappt. Sie haben ihn in ein Auto gesteckt und sind mit ihm irgendwo in den Wald rausgefahren. Dort haben sie ihn an einen Stuhl gefesselt und ihm die Finger abgeschnitten, Glied für Glied, mit einer Geflügelschere.« Ihre Stimme war leise und sachlich, als spräche sie bei einer Obduktion ihren Kommentar ins Diktiergerät. »Linke Hand: distales, mittleres und proximales Glied des kleinen Fingers; distales und mittleres Glied des Ringfingers. Rechte Hand: distales Glied des kleinen Fingers, alle Knochen des Ringfingers. Alle Finger an den Gelenken durchtrennt. Ein Knochen nach dem anderen.« Wieder ein langer Schluck; das Glas war jetzt fast leer. »Sie … sie haben ihn auf einem Parkplatz liegen lassen. Haben mit seinem Handy einen Krankenwagen gerufen und ihn dort zurückgelassen.« Sie schauderte. »Die Chirurgen konnten drei Glieder wieder annähen. Sie wissen noch nicht, ob sie anwachsen werden oder nicht.«
    Logan kippte ihr noch einen Dreifachen ins Glas. »Es tut mir leid.« Miller hatte recht: Es war alles seine Schuld.
    Sie blickte zu ihm auf, als sähe sie ihn zum ersten Mal, dann ging sie zum Kühlschrank und kam mit einem blauen Plastikbehälter zurück, den sie zwischen sich und Logan auf den Tisch stellte. Vorsichtig zog er den Deckel ab, lugte hinein und sah ein paar kleine, grau-weiße Würstchen darin herumrollen. Und dann entdeckte er einen Fingernagel am Ende des einen Würstchens.
    »Mein Gott!«
    Isobel rührte sich nicht. »Er hat sie in der Narkose erbrochen.«
    »Erbr… Er hatte sie verschluckt?« Schweigen. Logan verschloss den Behälter wieder. »Isobel, das habe ich nie gewollt; ich –«
    »Nein? Aber es ist trotzdem passiert – komisch, was?« Das letzte Stückchen Sonne verschwand hinter einer Granitmauer, und in der Küche machte sich ein unangenehmes Zwielicht breit. »Ich will, dass du sie findest, und ich will, dass du sie fertigmachst. Verstanden?«
    »Wird Colin aussagen?«
    »Sie haben gesagt, wenn er zur Polizei geht, werden sie wiederkommen und ganze Arbeit leisten.« Sie goss sich noch einen Whisky ein. Ihre Hand zitterte so, dass sie den teuren Bowmore auf dem Küchentisch verschüttete. »Lass ihn aus dem Spiel. Du sollst sie finden, und du sollst sie fertigmachen!«
    »Aber –«
    »Er ist dein Freund! Das bist du ihm schuldig. Und mir auch.«
    Für den Rückweg in die Stadt nahm Logan sich kein Taxi. Stattdessen ging er zu Fuß durch die Abenddämmerung und brütete vor sich hin. Durch seine Schuld hatte Colin fast die Hälfte seiner Finger verloren. Der Reporter hatte recht: Er musste immer die Nase in Dinge stecken, die ihn nichts angingen. Er hatte sich ja unbedingt in Millers Treffen mit Chib im Pub einmischen müssen. Hatte unbedingt wissen müssen, worum es ging. Alkoholisierte Gesänge wehten ihm entgegen, und ein Grüppchen spärlich bekleideter Girlies ergoss sich aus dem Windmill Inn. Sie grölten aus voller Lunge irgendeinen bis zur Unkenntlichkeit entstellten Song, schmiegten sich an die Laternenpfähle und pfiffen vorbeifahrenden Autos nach.
    Was sollte er denn unternehmen wegen Chib und seinem Kumpel? »Du sollst sie finden, und du sollst sie fertigmachen.«Ja, Isobel hatte gut reden, aber er war nun mal Polizeibeamter. Er konnte doch nicht einfach bei ihnen aufkreuzen und sie abknallen – sie waren hier schließlich in Aberdeen und nicht in New York. Wenn Colin Miller nicht bereit war auszusagen, konnte Logan gar nicht so viel ausrichten …
    Es sei denn, er erwischte sie auf frischer Tat. Aber selbst dann wäre Isobel noch nicht zufrieden: Sie wollte keine Gerechtigkeit, sie wollte Rache. Nun, sie würde sich mit dem zufriedengeben müssen, was sie kriegen konnte. Er zog sein Handy aus der Tasche und schaltete es wieder ein: schon wieder drei neue Nachrichten, alle von DI Steel. Logan ignorierte sie und begann zu wählen.

39
    »Bist du auch sicher, dass das eine gute Idee ist?«, fragte Jackie zum schätzungsweise millionsten Mal in der letzten halben Stunde. Im Auto war es kalt und ungemütlich. Sie standen in einem ruhigen Wohngebiet, genau in einem der dunklen Abschnitte zwischen zwei Straßenlaternen. Zum millionsten Mal antwortete Logan, dass er keineswegs sicher sei, und starrte weiter durch die Windschutzscheibe auf Brendan »Chib« Sutherlands Haus. Eine nicht genehmigte Observierung in einem entwendeten CID-Einsatzwagen? Natürlich war das keine gute Idee. Zumal, da Jackie offiziell noch die nächsten

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