Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
Biiiiiiiing-bonnnnnnng . Rubislaw Den war ein nobles Viertel: Hier wohnte richtig viel Geld. Viergeschossige Granithäuser, von denen jedes ein nicht ganz unbeträchtliches Vermögen wert war, manche seit Generationen im Familienbesitz. Rechtsanwälte, Steuerberater, hohe Tiere aus der Ölindustrie. Leute, die viermal im Jahr in Urlaub flogen und ihre Kinder auf Privatschulen schickten. Logan drückte noch einmal auf die Klingel.
Im Fenster über der Tür brannte Licht. Sie mussten zu Hause sein.
Er ging in die Hocke, um durch den Briefschlitz zu spähen, kippte nach hinten und landete auf dem Hosenboden. Gerade hatte er es geschafft, sich aufzurappeln, da verdunkelte ein Schatten die Glasscheiben zu beiden Seiten der Tür. Eine nervöse Stimme drang durch das Holz nach draußen. »Wer ist da?«
»Isobel? Ich bin’s«, sagte Logan, ohne nachzudenken, und fügte dann hinzu: »Logan.« Schließlich gab es keinen Grund, dass sie sich an seine Stimme erinnern sollte, bloß weil sie mal sieben Monate lang Tisch und Bett geteilt hatten und beide fast von ein und demselben Gangster abgemurkst worden wären.
Die Tür blieb verschlossen. »Bist du allein?«
»Bin ich allein?« Logan trat einen Schritt zurück und wäre fast die Stufen hinuntergefallen. »Na ja, ich wohne immer noch mit WPC Watson zusammen, aber ich glaube, die neue stellvertretende Staatsanwältin steht auch auf mich …« Er grinste. Zwei Frauen. Nicht schlecht, was? »Darf der kleine Colin zum Spielen rauskommen?«
Die Tür öffnete sich einen Spalt breit, und ein ängstliches Gesicht lugte heraus. Isobel sah fürchterlich aus: bleich, abgespannt, mit dunklen Ringen unter den Augen und tiefen Falten zwischen den Augenbrauen und um den Mund herum. Als ob sie seit letzter Woche um zehn Jahre gealtert wäre. »Du bist betrunken.«
Logan salutierte. »Und du fummelst für Geld an toten Leuten rum. Aber ich respektiere das. Wo ist Colin?«
»Du weißt es noch nicht?«
»Was soll ich wissen?«
Colin Miller lag zusammengekauert im Bett, grau im Gesicht und am ganzen Leib zitternd, die Hände mit weißen Bandagen umwickelt. Logan warf einen Blick auf die jammervolle Gestalt des Reporters und war schlagartig fast wieder nüchtern. »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
Miller blickte auf und starrte Logan an. Sein Gesicht war geschwollen und von Blutergüssen bedeckt, dunkellila mit einem Stich ins Grüne, die sich über die ganze linke Wange und quer übers Kinn zogen. Auch seine Nase war merklich schiefer als noch vor ein paar Tagen. »Mit mir? Ich sag Ihnen, was mit mir passiert ist, Mann: ICH HABE MICH MIT IHNEN EINGELASSEN, DAS IST MIT MIR PASSIERT !«
Logan wich erschrocken zurück. »Aber … ich hab doch gar nichts getan!«
»Sie mussten ja den großen Detektiv spielen, nicht wahr? Mussten Ihre verdammte Nase in Sachen stecken, die Sie einen Dreck angehen!« Er versuchte jetzt aus dem Bett aufzustehen, ohne seine lädierten Hände zu benutzen. »Er hat Sie erkannt, Sie blödes Arschloch! Sie haben ihn im Pub schräg angemacht, obwohl ich Ihnen gesagt habe, Sie sollen es bleiben lassen, und er hat Sie erkannt !« Millers nackte Füße versanken in dem tiefen blauen Teppich, als er mit erhobenen Händen auf Logan zuwankte. »Und dann haben Sie ihn verhaftet, und er wusste, dass ich ihn ans Messer geliefert hatte! Weil er Sie Vollidiot mit mir zusammen gesehen hatte! «
»Colin, ich –«
» SCHEISSE, ER HAT MIR DIE FINGER ABGESCHNITTEN !« Der Reporter schrie jetzt, die heile Haut zwischen den Blutergüssen hochrot, und Speicheltropfen flogen aus seinem verzerrten Mund, in dem einige Zähne abgebrochen waren oder ganz fehlten. »Meine Finger …« Miller vergrub das Gesicht in seinen steifen, bandagierten Händen und schluchzte. »Meine Finger …«
Sie saßen in der Küche. Auf dem Tisch stand eine offene Flasche Bowmore – mit drei Gläsern, obwohl Colin gar nicht dabei war. Die letzten schwachen Sonnenstrahlen fielen durch das Küchenfenster und tauchten das lackierte Holz in einen Bernsteinschimmer, während die Schatten sich mit der vorrückenden Dämmerung von Blassviolett zu Tiefblau verfärbten. Isobel saß zusammengesunken auf einem Stuhl gegenüber von Logan und hielt ihr Glas umklammert, als er ihr noch einen großzügigen Schuss Malt Whisky nachschenkte. Er selbst blieb lieber bei Wasser. »Was ist passiert?«
Isobel nahm einen kräftigen Schluck und schüttelte sich, als der hochprozentige Alkohol ihr durch die Kehle rann. »Er
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