Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
Papieroverall ab, an dem zwei parallele Schleimspuren zurückblieben.
»Aber wieso liegt er hier? Warum macht sich jemand so viel Arbeit, um einen toten Hund zu verstecken?«
»Ihr seid die Kripo – sagt ihr’s mir doch. Was immer das Motiv sein mag, es handelt sich hierbei nicht um menschliche Überreste. Und jetzt bitte ich, mich zu entschuldigen. Ich habe auch noch richtige Arbeit zu tun.« Und damit rauschte sie ab.
Logan sah ihr verdutzt nach. »Und wieso ist das jetzt meine Schuld?«, fragte er Steel. Sie zuckte nur mit den Achseln und verzog sich vor das Zelt, um sich eine anzustecken, gefolgt von der Staatsanwältin. Logan schüttelte den Kopf. »Doc? Wollen Sie vielleicht mal eine Vermutung äußern?«
Doc Wilsons Miene verdüsterte sich. »Ah ja, verstehe«, sagte er. »Es ist unter der Würde der großen Rechtsmedizinerin , einen toten Hund zu untersuchen, aber für mich ist es okay, wie? Ich bin Arzt und kein verdammter Viehdoktor!«
Logan knirschte mit den Zähnen. »Ich will doch nur, dass mir irgendjemand sagt, was hier eigentlich abläuft! Könnten Sie vielleicht mal für fünf Minuten aufhören, die beleidigte Leberwurst auf dem hohen Ross zu spielen, und mir zur Abwechslung einfach nur helfen?«
Alle anderen im Zelt schienen sich urplötzlich brennend für ihre Schuhe zu interessieren, während Logan und der Bereitschaftsarzt einander anfunkelten. Logan gab als Erster klein bei. »Tut mir leid, Doc.«
Dr. Wilson seufzte, zuckte mit den Achseln, ging vor dem Koffer in die Hocke und bedeutet Logan, das Gleiche zu tun. Da es sich nicht mehr um eine Mordermittlung handelte, mussten sie auch nicht mehr so peinlich darauf achten, keine Spuren zu vernichten. Ächzend zerrte der Doktor den Koffer aus seinem Wurzelgefängnis und ließ ihn auf den Waldboden plumpsen, wobei etwas von der übel riechenden Flüssigkeit auf den Nadelteppich schwappte.
Hustend und würgend angesichts des Gestanks stieß Doc Wilson den haarigen Torso an und drehte ihn im Koffer um. Die Unterseite war ein einziger fauliger Brei. Kopf, Beine und Schwanz waren abgehackt worden; an diesen Stellen war das Fleisch geschwollen und dunkellila. »Ich bin natürlich kein Rechtsmediziner«, sagte Wilson, »aber es sieht so aus, als wären diese Schnitte mit einer scharfen, mittellangen Klinge ausgeführt worden. Mit einem Küchenmesser vielleicht? Ziemlich saubere Schnitte; hat nicht lange rumgesäbelt, der Typ. Also, wer das getan hat, versteht etwas von der Arbeit: das Fleisch rund um das Gelenk aufgeschnitten, dann den Knochen aus der Gelenkpfanne gelöst. Sehr effizient.« Er drehte den Torso wieder auf den Rücken. »Die Schnittspuren am Hals sind ein bisschen unordentlicher. Nicht ganz einfach, einen Kopf vom Körper zu trennen. Der Schwanz wurde schlicht und einfach abgehackt …« Doc Wilson runzelte die Stirn.
»Was?«
Er deutete auf das untere Ende des Rumpfes, wo das Fell ein einziger mit Fliegen übersäter Matsch war. Angewidert befingerte er den fauligen Kadaver. »Multiple Stichwunden im Genitalbereich. Hat die Eier von dem armen Viech zu Hackfleisch verarbeitet.« Und da dämmerte es Logan.
Er richtete sich auf und wies das Team von der Spurensicherung an, sich ans Einsammeln von Beweismaterial zu machen. Die Fundstelle sollte wie der Tatort eines Mordes behandelt werden, auch wenn es nur ein toter Hund war, den sie gefunden hatten. Der Typ mit dem Schnauzer sah ihn verblüfft an und wollte schon protestieren, doch Logan ließ sich nicht beirren. Alles war wichtig und mit der entsprechenden Sorgfalt zu behandeln: Faserspuren und Gewebeproben sammeln, Fingerabdrücke sichern, Autopsie, die ganze Prozedur.
»Wozu soll das gut sein?«, wollte der Schnauzer wissen. »Es ist doch bloß ein räudiger Labrador!«
Logan blickte auf den verstümmelten Torso hinunter, in einen Koffer gesteckt, im Wald versteckt. »Nein«, sagte er, und das vertraute flaue Gefühl machte sich in seinem Magen breit. »Das ist nicht bloß ein Labrador. Das ist eine Generalprobe.«
DI Steel sagte Rennie, er solle Logan auf dem Rückweg ins Präsidium zu Hause absetzen, damit er noch ein paar Stunden schlafen könnte, bevor er sich abends um zehn zum Dienst meldete. Während die zwei über die Marischal Street davonbrausten, schloss Logan leise fluchend die Haustür auf und stieg die Treppe zu seiner Wohnung hinauf. Weder Steel noch die Staatsanwältin waren besonders glücklich gewesen, als sie seine Theorie über den Torso gehört hatten,
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