Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
doch sie hatten ihm beigepflichtet, dass es verdächtig nach einem Probedurchlauf für einen Mord aussah. Also hatte die Staatsanwältin eine vollständige Autopsie angeordnet. Isobel würde begeistert sein. In ihrem blitzsauberen Sektionssaal einen dreckigen, halb verrotteten Labrador zerlegen? Sie würde einen Anfall kriegen. Und dann würde sie ihm die Schuld geben. Grollend stieg Logan in die Dusche und versuchte den Geruch nach verwesendem Hund von seiner Haut abzuwaschen. Eine halbe Stunde später saß er im Wohnzimmer, in der einen Hand eine Dose Bier, in der anderen einen Käsetoast, und versuchte sich allmählich in den Schlaf zu langweilen, indem er sich das Nachmittagsprogramm im Fernsehen ansah.
Die Wohnung war kaum wiederzuerkennen, seit Jackie bei ihm eingezogen war – sie war nicht halb so aufgeräumt wie früher. Die Frau war das Chaos auf zwei Beinen. In der Küche kannte er sich überhaupt nicht mehr aus. Immer, wenn sie irgendetwas benutzte, landete es hinterher überall, nur nicht dort, wo sie es gefunden hatte. Allein nach dem Toaster hatte er geschlagene zehn Minuten gesucht. Der Couchtisch versank unter Stapeln von Zeitschriften, auf dem Boden stapelten sich Zeitungen, vermischt mit ungeöffneten Briefen, Flyern von Pizzadiensten und Zetteln aller Art. Mit ihr war auch ihre Schweinesammlung eingezogen: Porzellanschweine, Tonschweine, kleine rosa Schmuseschweinchen. Sie standen überall im Wohnzimmer herum und setzten langsam Staub an. Aber um nichts in der Welt hätte Logan es anders haben wollen.
Bald ging schon sein zweites Bier zur Neige; das Sonnenlicht, das durch das Wohnzimmerfenster fiel, schuf eine warme, heimelige Atmosphäre. Er begann tatsächlich einzunicken; in Wogen überkam ihn der Schlaf, wie eine heranrückende Flut, die verstümmelte Leichen an den Strand schwemmte …
Logan schnellte von der Couch hoch und riss die vom Schlaf verklebten Augen weit auf. Der Puls hämmerte in seinen Ohren. Er überlegte noch, wo er eigentlich war, als das Telefon erneut klingelte. Er fuhr fluchend herum und riss den Hörer von der Gabel, während sein Traum zu Staub zerfiel.
»Hallo?«
Eine fröhliche Stimme mit Glasgower Akzent dröhnte in Logans Ohr. »Laz, altes Haus. Wie geht’s?« Colin Miller, der Starreporter von Aberdeens größter Tageszeitung, der Press and Journal .
»Ich schlafe. Was wollen Sie?«
»Schlafen? Um diese Tageszeit? Klingt eher nach ’nem nachmittäglichen Schäferstündchen mit der entzückenden WPC Watson, hm?« Logan ließ sich nicht herab, darauf zu antworten. »Na, egal, passen Sie auf, ich hab da einen Anruf von einer Frau gekriegt, die sagt, sie hat heute im Wald eine Leiche gefunden.« Verdammt, dachte Logan, diese Mrs. Hendry hatte wirklich keine Zeit verloren. »Na los, Mann, raus mit der Sprache! Wer ist es?«
Logan runzelte die Stirn. »Sie haben noch nicht mit Isobel gesprochen, oder?«
Eine verlegene Pause, und dann: »Tja, wissen Sie, sie geht nicht an ihr Handy, und bei ihrem Bürotelefon springt immer gleich der AB an.« Miller war nämlich nicht nur ein erfolgreicher Reporter, sondern auch Isobels »Besorger« – derjenige, dem sie ihre Gunst geschenkt hatte, nachdem sie mit Logan Schluss gemacht hatte. Das allein wäre Grund genug für Logan gewesen, den penetranten kleinen Drecksack zu hassen, doch aus irgendeinem abartigen Grund tat er das nicht. »Na los doch, Laz, rücken Sie’s raus! Von Ihrer blöden Pressestelle kriegt man wieder mal nur die alte ›Kein Kommentar‹-Leier zu hören. Sie waren doch dort, oder nicht?«
Seufzend ließ Logan sich wieder in seinen Sessel sinken. »Ich kann lediglich bestätigen, dass wir heute in Garlogie Woods sterbliche Überreste gefunden haben. Wenn Sie nähere Einzelheiten wissen wollen, müssen Sie sich an die Pressestelle wenden. Oder warten, bis Isobel nach Hause kommt.«
»Scheiße … Mensch, Laz, lassen Sie mich doch nicht am ausgestreckten Arm verhungern! Ich war auch ganz brav, hab kein Wort von dem gedruckt, was sie mir gesagt hat, ohne es vorher von Ihnen absegnen zu lassen – also seien Sie mal nicht so streng, hm?«
Logan musste unwillkürlich lächeln. Es war schön, zur Abwechslung mal am längeren Hebel zu sitzen. Wenn Miller auch nur ein Wort von dem abdruckte, was seine Freundin, die Rechtsmedizinerin, ihm im Bett ins Ohr geflüstert hatte, ohne vorher Logans Okay eingeholt zu haben, dann war sie erledigt. Logan würde schnurstracks zur Dienstaufsicht gehen und ihnen alles
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