Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
Schlampen. Sie waren schwach. Kleine Mädchen konnte man schubsen und stoßen und prügeln, in eine Ecke drängen, so wie sie Mamás Katze mit einem Besenstiel gefangen, gejagt hatten, bis sie nirgendwo mehr hinkonnte. Diese Lektion hatte er in Mamás Keller gelernt, gefesselt und mit schwingenden Zöpfen, während Tommy und Mamás Freunde über ihr grunzten und schwitzten.
Die Antwort war so einfach gewesen. Tommy war nie etwas passiert. Er würde sich verändern. Er würde das kleine Mädchen für immer in einen Keller sperren. Von da an wäre er derjenige, der verletzte, derjenige mit Macht. Und er würde alle dafür bezahlen lassen. So wie er die Katze hatte bezahlen lassen, die jaulte und zuckte, während Tommy sie festhielt.
Aber nützlich war es schon, so wie er aussah. Kein Mensch schöpfte je Verdacht. Sie liebten es, mit ihm zu flirten. O ja, er wusste, was die Jungs wollten. Diese Lektion hatte er schon vor langer Zeit gelernt. Er genoss es, wie andere Männer seine langen Beine, seine Kurven anstarrten und gar nicht erkannten, in welcher Gefahr sie schwebten. Die Leute vertrauten Frauen.
Vor allem hier in dem neuen Land. Deshalb hatte er darauf bestanden, den Ausweis des Fotografen zu sehen. Er wusste, wo er ihn schon einmal gesehen hatte: im Publikum im Kindergarten, mit seinem kleinen Mädchen im Arm, und beide hatten sich über den Clown gefreut. Pogo hatte der Kleinen einen Lutscher geschenkt. Was konnte ungefährlicher sein? Ein weiblicher Clown. Er genoss diese Shows, stand da unter seinem Make-up und wusste, dass sie ihn nicht als das sehen konnten, was er wirklich war.
Er hielt an, ließ das Seitenfenster herunter, winkte einem Mann und fragte ihn, was er schon Dutzende andere gefragt hatte. Paco Pino? Der Fotograf. Ja, ich kenne ihn. Er wohnt gleich da unten an der Ecke. Aber er ist gerade in der Arbeit.
Er parkte vor dem Zaun, beobachtete eine Gruppe Kinder durch den Zaun. Er rief eins zu sich, fragte es, wie das kleine Mädchen mit den dunkelbraunen Haaren heiße: Alejandra. Das war ihr Name.
Er fuhr noch einmal um den Block, wartete zehn Minuten, ging dann zu Fuß zum Zaun und rief das Mädchen bei seinem Namen.
»Hallo, Alejandra. Erinnerst du dich an mich?«
Das kleine Mädchen nickte begeistert. »Du warst mit dem Clown in unserem Kindergarten.«
Er lächelte. »Das stimmt. Ich bin Pogos Freundin. Deine Mama ist jetzt bei Pogo. Würdest du sie beide gern sehen?«
Ein kurzes Zögern. Dann ein Nicken.
»Dann drück einfach da auf den Knopf, Liebes, und mach das Tor auf.«
Sie musste springen, um den Knopf zu erreichen. Das Tor ging klickend auf.
Er umfasste die Hand des Mädchens mit blutrot lackierten Fingern und führte sie ruhig über die Straße. Vorsicht und Geduld.
Aber er lächelte jetzt nicht mehr. Er hatte eine Arbeit zu erledigen.
21
Danny rief Jim Durkin an. Der Journalist hob mit einem Seufzen ab. »Wenn du mich jetzt anschreien willst, erspar es dir. Ich hatte bereits Todesdrohungen aus Spanien.«
»Jim, tu mir noch einen Gefallen, und wir sind quitt. Hast du mehr über Tommy Cain herausgefunden?«
»Ja. Du hattest recht. Er war im Gefängnis. Ist es immer noch.«
»Was ist mit der Schwester?«
»Ja. Ricarda Immaculada Cain, besser bekannt als Ricki Cain.«
Danny wiederholte stumm ihren Namen, fragte sich, warum er so vertraut klang. Dann hörte er Brian Kimbers Stimme. Adrians Freundin. Nicki Jane.
Oder so ähnlich.
»Weißt du, wie sie ausgesehen hat? Kannst du mir ein Foto schicken?«
»Woher das plötzliche Interesse?«
»Kannst du’s, oder kannst du’s nicht?«
»Mal sehen, was sich machen lässt.«
Danny legte auf.
Das war’s. Ricki Cain, das Mädchen, in das Adrian so vernarrt war. Er hatte die Informationen für sie gestohlen und dann gelogen, um sie zu schützen. Und niemand anderen als sie hatte er auf dem Bredon Hill treffen wollen – wer würde schon ein neunzehnjähriges Mädchen verdächtigen?
Dannys Handy klingelte.
»Paco, du errätst nie, was …«
»Komm zum Firmengelände der Hackers. Sofort. Es ist wichtig.«
»Was willst du …«
»Bitte, Danny. Tu’s einfach.«
Die Leitung war tot.
22
Danny hielt vor dem Grundstück der Hackers und fragte sich, was zum Teufel Paco da drin wollte. Es war später Nachmittag. Die Tore zum Bauhof standen offen. Danny ging zur Lagerhalle und drückte gegen die Tür. Sie quietschte. Eine Männerstimme sagte: »Komm rein. Geh in die Mitte der Halle.«
»Warum?«, fragte Danny, ohne sich
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