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Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Pritchard
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immer kühl. Wenn der Wind aus dem Norden blies, brachte er die Kälte der Sierra Nevada mit. Er trank Wein und klimperte Flamenco. Seine Finger huschten über die Saiten und schickten die weichen Noten von tarantas in den Nachthimmel, während er zu den Sternen emporblickte.
    Der Schatten an der Wand ließ ihn hochschrecken. Adriana Sanchez stand da und begleitete ihn mit leisem Klatschen.
    »Hör nicht wegen mir auf, Danny«, sagte sie mit enttäuschter Miene.
    »Ich lass mich nicht gern beobachten.«
    »Kann mir nicht vorstellen, warum. Du spielst ziemlich gut.« Sie zog sich einen Stuhl heran, nahm ihm gegenüber am Tisch Platz und zündete sich eine Zigarette an. »Na gut, wenn du nicht mehr spielen willst, müssen wir uns eben unterhalten.« An ihrem entspannten Lächeln und den leicht hängenden Lidern merkte er, dass sie beschwipst war.
    Adriana Sanchez schaute gut aus für ihr Alter, in dem Sinn, dass man ihr ihr Alter tatsächlich ansah. Im Gegensatz zu vielen Frauen mit knapp sechzig benutzte sie Make-up nur sehr sparsam und vor allem Kombinationen, die die attraktiven Seiten ihres Gesichts hervorhoben und ergänzten, anstatt krampfhaft zu versuchen, sich zwei Jahrzehnte jünger zu machen. Dass sie die klassische Kombination spanischer Schönheit besaß – olivfarbene Haut, dunkles Haar und große, braune, fast mandelförmige Augen –, half natürlich.
    »Danny, sag was«, meinte sie und griff über den Tisch nach seinem Glas.
    Bereits ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, was er sagen sollte, deshalb machte er keine Anstalten in diese Richtung.
    »Mir gefällt die Hose, die du trägst. Sehr farbenfroh.«
    Sie ließ die Schultern hängen und blies die Wangen auf.
    »Fragst du mich nicht, wo ich gewesen bin? Ich sollte doch eigentlich schon vor Tagen hier sein.«
    »Du hast jemanden kennengelernt.«
    »O ja, er ist wundervoll, Danny. Jacques. Ein Franzose. Ich habe die letzten Nächte, ich weiß gar nicht mehr, wie viele, in seinem Haus in Sorbas verbracht, oben in den Bergen.«
    Nächte. Nicht Tage. Die Wortwahl war bewusst, die Bedeutung klar. Danny war Journalist. Ihm fielen Dinge auf.
    Nur ein Blick auf sie, und man wusste, dass eine Romanze für Adriana Sanchez immer mehr mit den Liebhabern als mit der Liebe zu tun gehabt hatte. Doch jetzt nahm Danny in ihrem Gesicht nichts von dem Kummer wahr, der eigentlich die unausweichliche Folge für eine so oberflächliche Herangehensweise war. Allerdings hatte Adriana schon immer ein Talent dafür gehabt, Kummer aus dem Weg zu gehen. Sie war wie eine Ratsche: Wenn ihr irgendwas Sorgen bereitete, drehte sie einfach einen Zacken weiter, schloss die Vergangenheit weg und schaute nie mehr zurück.
    In seiner Kindheit hatte sie sich eher wie eine ungezogene ältere Schwester aufgeführt, war für Monate verschwunden, bis sie dann unangekündigt wieder auftauchte, sein Leben auf den Kopf stellte und ihn mit zuckersüßer Aufmerksamkeit überschüttete. Und dann war sie genauso unvermittelt wieder verschwunden. Danny konnte noch die Tränen schmecken, die ihm übers Gesicht liefen, wenn er an solchen Morgen in ihr Zimmer stürmte und ihr Bett leer fand, erkannte, dass sie weg war.
    Schon wieder.
    Die abuela begrüßte ihn dann mit mürrischer Miene und flüsterte die Worte, die sie ihm immer sagte: »Estamos condenados a quererla.« Wir sind verurteilt, sie zu lieben. Und genauso fühlte sich das manchmal an, wie eine Bestrafung.
    »Es freut mich sehr, dass du jemanden kennengelernt hast, aber das ganze Hin und Her muss ich nun wirklich nicht wissen.«
    Einen Moment lang verschwand die Maske alberner Aufgedrehtheit, und sie kniff die Augen zusammen. »Eine sehr unglückliche Wortwahl, Danny, wenn man sich überlegt, wie ungezogen wir die ganze Zeit gewesen sind.«
    Das war immer ihre Taktik, wenn sie glaubte, nicht die Aufmerksamkeit zu bekommen, die sie verdient hatte: zu empören, zu schockieren. Danny wusste noch sehr gut, wie sie eines Abends das Gleiche mit der abuela getan hatte, als sie hereinkam. Es hatte in einem lautstarken, heftigen Streit geendet, die Art von Gezänk, die immer entstand, wenn spanische Frauen sich in die Haare gerieten.
    Adriana Sanchez lachte. »Sei doch nicht so prüde, Danny. Wenn du so ein Gesicht machst, erinnerst du mich an meine Mutter.« Die liebenswürdige Beschwipstheit kehrte zurück. »Du könntest auch so was brauchen. Eine Freundin, meine ich. Ich habe mit deinem Freund Paco telefoniert. Er sagt, es ist Ewigkeiten her, dass

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