Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
guter Reporter braucht nichts anderes als Augen, Ohren und ein Quäntchen gesunden Menschenverstand. Wenn du diese Woche nichts gelernt hast, kannst du am Montag zu Hause bleiben.«
Dannys »Ausbildung« hatte einen Monat gedauert. Er war hinter Taylor hergestolpert, hatte Botengänge gemacht, Tee geholt, Telefonhäuschen gesucht. Dann kam sein großer Durchbruch: Taylor hatte versprochen, Danny ein paar Zeilen schreiben zu lassen. Danny lächelte, als er an den Artikel dachte – eine Taubenzüchterversammlung in einem örtlichen Gemeindesaal –, die Art Alltagsgeschichte, die Herausgeber an Auszubildende und in Ungnade gefallene Reporter vergeben, so langweilig, dass man Blut schwitzte, bis man zweihundertfünfzig Wörter zusammenhatte.
Doch Danny war wissbegierig von Tisch zu Tisch gegangen und hatte Zitate gesammelt. Und dann das Chaos: Rufe, Schreie, Durcheinander, als ein rotbrauner Kater, verfolgt von Ordnern, durch den Saal rannte. Tauben wurden hastig in ihre Käfige gesteckt oder über den Kopf gehalten, während das Katzenvieh von einem Ende zum anderen rannte, auf Tische sprang, fauchte und kratzte.
Danach im Pub nippte Taylor an seinem Orangensaft und fragte auf eine Art, wie man es machte, wenn man die Antwort bereits wusste: »Was ist der Aufhänger?« Danny zermarterte sich das Hirn, wollte unbedingt einen guten Eindruck erwecken.
Viele Tauben.
Eine Katze.
Die Zeile sprudelte aus ihm heraus, als sie ihm schließlich einfiel. »Katze unter Tauben.«
Taylor nickte, die Andeutung eines zufriedenen Lächelns auf den Lippen. »Mach bis morgen dreihundert Wörter. Wenn ich den Artikel nicht zu sehr umarbeiten muss, kann dein Name drunter.« Er stand auf, zündete sich eine neue Zigarette an der alten an und schlüpfte in seinen langen Lammfellmantel.
»Haben Sie gesehen, wie die Katze da reinkam?«
Taylor antwortete, ohne sich umzudrehen: »Unter meinem Mantel. Aber das lässt du am besten aus, okay?«
Danny schrieb den Artikel, und Taylor hielt Wort. Es war der erste, dessen Verfasserzeile lautete: »Von Danny Sanchez«. Die abuela hatte geweint, als sie es sah, hatte den Text allen Nachbarn gezeigt, obwohl sie kein Wort verstand.
Dannys Grinsen verschwand, als er vor der bescheidenen viktorianischen Doppelhaushälfte mit drei Schlafzimmern hielt, in der die Familie Taylor gewohnt hatte. Er hoffte, dass Denise, Rays Tochter, die das Haus geerbt hatte, noch immer darin wohnte.
Er stieß das Gartentor auf, bemerkte, dass es nicht mehr quietschte, und klopfte dann an die Tür. Denise brauchte einen Augenblick, bis sie ihn wiedererkannte. »Danny? Danny Sanchez? Bist du es wirklich? Ach, hättest du mir Bescheid gesagt, dass du kommst, dann hätte ich mich ein wenig schön gemacht.«
Denise drückte ihre Zigarette aus, räumte hastig Sachen von Oberflächen und schlurfte in ihren Pantoffeln über den PVC -Boden im Gang. An der Wand hingen Fotos von Denise, auf denen sie sich schön gemacht hatte, mit mehreren Millimetern Schminke im Gesicht und einem lächerlich kurzen Rock.
»Meine Brautparty«, erklärte sie.
»Meinen Glückwunsch.«
Sie führte Danny ins Wohnzimmer. Ein pummeliges Kleinkind starrte ihn einen Augenblick an und spielte dann weiter mit Plastikbausteinen. Auf dem Kaminsims stand ein Foto von Ray Taylor. Es war eine gute Aufnahme: dieses lange, ausgezehrte Gesicht, die feine, graue Strähne mit dem Nikotinfleck im Haar. Er lächelte für die Kamera, aber die Fältchen um die Augen ließen seine gewohnte strenge Miene erahnen.
Ray Taylor war nicht wie die anderen Journalisten von The Bugle , das hatte Danny schon am ersten Tag erkannt. Erstens trank Taylor nicht – nicht mehr, denn er war zu entspannt in angetrunkener Runde, um sein ganzes Leben lang Antialkoholiker gewesen zu sein. Außerdem war er Purist, was seine Arbeit anging, kein Schmierfink. Was ihn antrieb, war der Drang nach Genauigkeit, nach Wahrheit. Wenn Taylor über etwas berichtete, hegte und pflegte er die Fakten wie eine Mutter ein Neugeborenes. Ray Taylor machte seine Themen zu Herzensangelegenheiten.
»Du warst der Einzige bei The Bugle , für den Dad je ein gutes Wort hatte, weißt du das?«, sagte Denise, als sie das Teegeschirr brachte und auf den Tisch stellte. »›Der ganze Rest ist nur ein Haufen …‹ Na ja, du hast ja mit Dad gearbeitet«, meinte sie mit einem Seitenblick auf das Baby. »Du kannst dir den Rest denken.«
Das konnte Danny wirklich.
Sie machten ein wenig Konversation – was
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