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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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Flohmarkt ist … sehr hübsch und einfallsreich.«
    Coralia lachte auf. »Ein bisschen altmodisch ist er schon. Aber dafür ist es lustig.« Sie drehte sich in ihrem Kleid vor Rufus. »Rufus, wie findest du es?«
     
    Rufus wurde rot. »Ja …«, stotterte er. »Gut.«
    Rufus’ Mutter verzog leicht den Mund. Dann fragte sie kühl: »Trägst du immer solche Kleider, Coralia?«
    »Oh, nein!« Coralia lachte hell auf. »Das ist das Kleid der Anchetcheprure, einer alten ägyptischen Pharaonin. Das habe ich letztes Jahr bei einer Schulaufführung getragen und wollte es jetzt zum Verkauf auf den Flohmarkt bringen. Aber auf dem Weg hierher habe ich es noch mal angezogen. Ich wollte es Rufus zeigen.«
    Rufus’ Mutter nickte befremdet. »Na, dann, lass dich nicht aufhalten.«
    »Bestimmt nicht!« Coralias dunkle Augen funkelten. Sie streckte eine Hand in die Luft und zeigte über den Markt. »Haben Sie sich denn schon umgesehen?«
    »Ach, weißt du, das alles hier ist sicher gut gemeint, aber ich bin Geschäftsfrau. Und kaputtes Spielzeug oder Schulaufführungskleider sind so gar nicht mein Fachgebiet.«
    »Sie sind Geschäftsfrau?!«
    Coralia trat näher an Rufus’ Mutter heran. »In welcher Branche arbeiten Sie denn?«
    Rufus’ Mutter zuckte zusammen. Für einen Augenblick wirkte sie etwas verunsichert, aber dann fing sie sich und entzog sich Coralias Nähe.
    »Personalfragen«, sagte sie kurz angebunden. »Ich arbeite in der City.«
    In der City? Rufus fuhr zusammen. Was bedeutete das denn? So hatte seine Mutter bisher nicht gesprochen.
    Aber Coralia nickte nur. Dann zog sie sich plötzlich ihr Kleid über den Kopf. Darunter trug sie ein teuer wirkendes, rotes Kostüm, das ihren schlanken Körper gut zur Geltung brachte. Sie schüttelte ihre schwarzen Haare und lachte auf. »Sie haben recht, Frau Minkenbold, so ein Kleid gehört sich einfach nicht. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich nicht nur Rufus, sondern auch seine Mutter treffen würde.«
    No warf Rufus einen gequälten Blick zu und Rufus zuckte die Schultern. Natürlich nervte Coralia, weil sie sich mal wieder in alles einmischte. Aber zugleich schien sie Rufus auch die Einzige, die nicht auf Anhieb vor seiner Mutter zurückschreckte, sondern sie sogar sympathisch zu finden schien. Und irgendwie gab ihm das ein gutes Gefühl. Das mit dem Kleid allerdings verstand Rufus überhaupt nicht. Was hatte sich Coralia nur dabei gedacht?
    No murmelte etwas, drehte sich um und betrachtete die Auslagen am Stand hinter ihm.
    »Mann«, raunte er Filine zu. »Das ist ja wohl nicht wahr! Jetzt haben wir auch noch Coralia am Hals, dabei würde doch auch schon Rufus’ Mutter reichen …«
    »Sei still!«, zischte Filine. »Mach es für Rufus nicht noch schlimmer. Er hat selbst genug damit zu tun, wie seine Mutter ist. Das spürt man doch.«
    No nickte und starrte jetzt auf die Auslagen auf dem Tisch vor sich. Der Händler war ein sehr dünner Mann mit einem aschgrauen Schnurrbart.
    »Kann ich helfen?«
    No schüttelte den Kopf. »Mir nicht, ich …« Er hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als sein Blick auf eine Zeichnung fiel, die oben auf einem Stapel lag. Er griff danach.
    »Was ist das denn?«
    »Das ist ein Chariot«, antwortete der Händler. »Ein keltischer Streitwagen, irgendwann um Christi Geburt. Hübsches Bild, nicht?«
    »Ja«, sagte No.
    »Es ist eine ziemlich alte Zeichnung«, fuhr der Mann fort.
    »Und was steht da?« No deutete auf einige handgeschriebene, unleserliche Worte, die auf der Zeichnung neben den Wagen gekritzelt standen und von denen Pfeile auf einzelne Wagenteile wiesen.
    »Das sind Holzsorten«, meinte der Händler. »Vielleicht ist es eine Art Konstruktionszeichnung, und der Ersteller wollte so einen Wagen nachbauen.« Er beugte sich vor und musterte das Bild. »Da steht Esche für den Wagenboden. Und da Ulme. Daraus waren wohl die Radnaben gemacht. Und das da sieht aus wie …«, er entzifferte das Wort langsam, »… Stechpalme.«
    »Stechpalme?«, fragte No verblüfft.
    »Ja, sieht so aus, als sei daraus die Achse gemacht worden.«
    »Die Achse?«, entfuhr es No.
    »Na ja«, der Händler zuckte die Schultern. »Willst du das Bild haben? Es ist nichts wert, ich habe es zwischen einigen Büchern gefunden. Ich schenke es dir.«
    Der Händler reichte es ihm.
    »Vielen Dank!« No nahm das Bild entgegen.
    »Bitte.« Der Händler wandte sich einem anderen Kunden zu.
    Aufgeregt sah No Filine an. »Stechpalme wurde nicht nur für Speere,

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