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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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oder danach war. Das Plus bedeutet nach Christus und das Minus vor Christus. Die anderen Zeichen kenne ich noch nicht. Das sind Hinweise auf andere Kulturen, die sich nicht an Christus orientiert haben. Meisterin Iggle hat gesagt, es gibt noch jede Menge andere Kalenderarten. Aber jetzt passt mal auf.« Filine ging an die Maschine und öffnete mehrere Hohlkugeln. Dann entzündete sie mit ihren Streichhölzern die Glühstrümpfe im Inneren. Bald darauf glänzte die Maschine mattgolden im Schein der Flammen, und auf der Leinwand zeigte sich ein Lichtermeer aus tausenden, verschieden großen Punkten.
    »Deswegen habe ich mir vorhin in der Flut den Himmel so genau angeschaut, um sein Bild hier nachzustellen«, sagte Filine.
    No stand der Mund offen. Er ging um die mächtige Apparatur und betastete vorsichtig Hebel und Zahnräder, die fein geschliffenen Hohlkugeln und beweglichen Scheiben und Räder.
    »Und wie hast du gelernt, sie zu bedienen?«, wollte er wissen.
    Filine zuckte die Schultern. »Du wirst es mal wieder hammermäßig finden, aber die Zeitbestimmung kannten natürlich auch schon die Ägypter. Meine Vorfahren verfügten über drei verschiedene, höchst genaue Beobachtungsmethoden. Und das waren neben dem Sonnenstand, den sie mit den verschiedensten Sonnenuhren ablesbar machten, und den Wasseruhren, in denen man das Ein- und Auslaufen von Wassermengen beobachtete und so die Stunden zählen konnte, die Sternenuhren. Und als ich dann die Tür in der Bibliothek entdeckt habe, hat mir Meisterin Iggle alles gezeigt. Sie ist wirklich eine sehr gute Meisterin!«
    No hob die Hände. »Äh, ja … Danke für die ausführliche Belehrung, Fili. Aber bevor mein Kopf zu rauchen anfängt: Ich wollte eigentlich nur wissen, was wir jetzt mit der Planetenmaschine hier machen sollen?«
    Filine drehte wortlos an einigen Rädern und zog einen Hebel. Die Maschine setzt sich in Bewegung, und auf der Leinwand tat der projizierte Sternenhimmel das Gleiche. Für einen Moment zog er wie ein in Bewegung geratenes Sternenmeer darüber hinweg.
    Rufus kniff die Augen zusammen. Die sausenden Lichtpunkte verwirrten ihn. Dann beruhigte sich das Bild wieder und stand schließlich still.
    »Die goldenen Punkte«, erklärte Filine, »sind die Planeten. Und die etwas bläulichen die Fixsterne.«
    Wieder setzte sie die großen Räder und Scheiben in Bewegung und ließ sie nun so lange langsam umeinander fahren, bis die feinen Goldpunkte der Planeten so zwischen den Fixsternen standen, wie sie es beabsichtigt hatte. »Das ist etwa die Konstellation, die ich mir gemerkt habe«, erklärte Filine, »so, wie wir sie während der Flut am Himmel sehen konnten. Erinnert ihr euch noch an etwas, was von Bedeutung sein könnte?«
    Rufus schüttelte den Kopf. Er hatte nur den gigantischen Sternenhimmel als Ganzes wahrgenommen. Aber dann fiel ihm etwas ein. »Ich habe den Mond nicht gesehen!«
    Filine nickte. »Ja, er war unter dem Horizont. Habt ihr irgendwelche Sternbilder im Kopf oder Planeten?«
    »Nein«, gab No zu.
    »Nun«, erklärte Filine. »Ich habe mehrere gesehen. Nahezu senkrecht über uns im Zenit stand der große Bär.« Sie deutete auf einige Sterne, die von links nach rechts wie die Deichsel eines Bollerwagens aussahen, an der der Wagen hing.
    »Ich dachte immer, das ist der große Wagen?«, meinte No.
    »Der ist nur ein Teil des großen Bären«, erwiderte Filine. »Der große Bär umfasst mehr als diese sieben Sterne. Die Deichsel des Wagens ist dann der Schwanz des Bären.« Sie zeigte etwas nach unten. »Dort stand das Sternbild Löwe.«
    Sie deutete auf eine Gruppe von Sternen, die für Rufus zuerst wie eine Maus mit einem erhobenen Schwanz aussah. Doch dann erkannte er, dass es auch ein liegender Löwe sein konnte, der den Kopf nach rechts gewandt hielt, und dass die Sterne, die er zuerst für einen Mäuseschwanz gehalten hatte, seine Mähne waren.
    »Dass das Sternbild Löwe heißt, ist übrigens wieder eine ägyptische Geschichte«, erklärte Filine. »Wenn es im Sommer am heißesten war, kamen nämlich die Löwen aus der Wüste ans Nilufer gezogen.« Sie lächelte No zu und deutete an eine andere Stelle zwischen den Sternen. »Und hier war die Jungfrau.« Sie ließ den Schatten ihrer Hand durch eine Reihe von Sternen wandern. »Es ist das größte aller Sternbilder und hat schon viele Namen getragen, von einer Ähre bis über viele verschiedene Namen von Göttinnen. Und dann kam tief unten der Rabe.«
    »Der Rabe?«, fragte

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