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Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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Häuser direkt an der Durchgangsstraße, ein paar Geschäfte, ein paar Hochhäuser, das war es schon. Polizisten wohnten immer in hässlichen Gegenden, dachte Gritz, weil das Geld nicht reichte für die schönen Orte, vor allem in einer Stadt wie München, wo auch das Hässliche teuer ist.
    Seit über einem Jahr war Maler krankgeschrieben. Der Grund für die Krankschreibung las sich existentiell: Abstoßungsreaktion des Herzens. August Maler hatte seit Jahren ein transplantiertes Herz, und im Winter letzten Jahres hatte sein Körper es nicht mehr haben wollen. Es gehörte immer zum Leben eines Transplantierten, dass das eigene Abwehrsystem durch Tabletten geschwächt werden musste, damit es das fremde Organ nicht attackierte. Doch bei Maler funktionierte das nicht mehr, monatelang lag er auf Leben und Tod in der Klinik. Irgendwann hatten sich die Attacken des Körpers gelegt. Maler kam in verschiedene Reha-Einrichtungen, ziemlich schön gelegen, eine Klinik am Tegernsee, eine andere am Chiemsee. Auf den Gängen des Münchner Polizeipräsidiums hatte die Frage zunächst gelautet: Wann kommt Maler wieder? Inzwischen hieß die Frage nur noch: Kommt Maler überhaupt noch einmal wieder?
    Rainer Gritz hatte seinen Chef in den letzten Monaten zweimal besucht. Einmal auf der Intensivstation, da war Reden nicht möglich gewesen, weil Maler nicht bei Bewusstsein war, man hatte ihn in ein künstliches Koma versetzt. Das zweite Mal war er an den Tegernsee gefahren, da wäre das Reden gegangen. Doch sie hatten nur lange auf einer Parkbank gesessen, in der Sonne, mit Blick auf den See, und hauptsächlich geschwiegen. Gritz hatte gedacht, was soll ich sagen. Und Maler dachte vermutlich etwas Ähnliches. In souveränem Schweigen waren sie beide immer gut gewesen.

    Es hatte für ein paar Minuten aufgehört zu regnen, als Rainer Gritz aus seinem Wagen ausstieg. Er parkte direkt vor dem Hochhaus, Parkplätze waren in Neuried nie ein Problem. Das Hochhaus hatte acht Stockwerke, im vierten wohnten die Malers. Gritz klingelte unten, der Türöffner summte rasch. Beiger, schmutziger Klinkerboden im Hauseingang, der überraschend schmale, silbrige Aufzug wartete schon. Von der Aufzugstür im vierten Stock waren es nur ein paar Meter zur Wohnungstür. Sie war schon geöffnet. August Maler stand in der Tür. Dünn war er geworden. Er trug eine Jeans. Früher hatte er nie Jeans getragen, sondern immer undefinierbare beige Stoffhosen. Wenigstens sein Pullover war noch beige, so wie früher.
    »Aha, die Polizei kommt«, sagte Maler und grinste.
    »Mensch, August, schön dich zu sehen.«
    »Komm rein.«
    Gritz hängte seinen Mantel an die Garderobe und stellte seine Aktentasche ab. Inge kam aus der Küche und begrüßte ihn. Sie war eine sehr schöne Frau. Maler mochte es, wenn sich andere Männer fragten, wie denn dieser stoffelige Typ an eine solche Frau gekommen war. Die beiden Buben kamen zum Gutentagsagen, der eine sieben, der andere neun, beide lieb. Der Kleinere fragte: »Kannst du Tipp-Kick spielen? Papa ist krank, er kann nicht.«
    Der schmale Flur bildete den Kern der Wohnung, von dort ging man in die Küche, von dort gingen die anderen Zimmer ab.
    Inge sagte: »Geht doch schon ins Wohnzimmer, ihr habt sicher viel zu reden. Wir rufen euch, wenn das Essen fertig ist.«
    Auf dem Couchtischchen waren Teetassen gedeckt, dazwischen eine Thermoskanne.
    »Magst du einen Tee?«, fragte Maler. Gritz nickte. »Nimm dir bitte selbst«, sagte Maler.
    Bevor das Schweigen anfing, fragte Gritz: »Wie geht es dir?«
    »Hey«, sagte Maler, »du fängst ja mit der ganz harten Nummer an. Haben wir nicht mal gelernt, es ist besser, langsam und sanft zu beginnen?«
    Gritz lachte.
    »Schau«, sagte Maler und hob seine Hände. Sie zitterten beide stark, die linke noch mehr als die rechte. »Ich kann nicht mal auf die Tipp-Kick-Figur drücken. Und trinken tue ich am besten aus der Schnabeltasse.«
    »Woher kommt das Zittern?«
    »Von den Medikamenten, vor allem von einem: Cellcept heißt es. Muss ich nehmen, weil Cellcept die wichtigste Waffe gegen meine Abwehrkräfte ist. Ein Teufelskreis. Du hast gefragt: So geht es mir.«
    »Und was sagen die Ärzte, wie es weitergeht?«
    »Sie wollen mir noch mal ein neues Herz einpflanzen. Ich soll auf die Warteliste. Ich muss mich in den nächsten vier Wochen entscheiden, ob ich das auch will.«
    »Und?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Maler. »Ich weiß es nicht.«
    Sie schwiegen einen Moment. Dann sagte Maler: »Und?

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