Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
Vom Netzwerk:
Ich hoffe, ich habe damit auch deine andere Frage beantwortet.«
    »Was meinst du? Welche andere Frage?«
    »Rainer, ich kenne dich. Wenn du deine Aktentasche dabeihast, dann ist da was drin. Ich vermute mal, es geht um einen neuen Fall. Du willst mit mir drüber sprechen, du willst mir irgendwelche Akten zeigen. Nein, das kannst du dir sparen. Nimm deine Aktentasche nachher wieder mit. Ich bin im Augenblick zu nichts zu gebrauchen.«
    »Deine Hände zittern«, sagte Rainer Gritz, »aber dein Hirn scheint gut zu funktionieren. Klingt vielversprechend für mich.«
    »Vergiss es. Es sind nicht nur die Hände. Ich zittere überall, im übertragenen Sinn. Wenn du mich einen Tag beobachten würdest, würdest du es sehen. Ich bin wirklich ein Wrack.«
    Inge rief zum Essen. Sie saßen in der Küche, die Kinder zankten sich ein bisschen, das Gulasch schmeckte ausgezeichnet. Maler aß fast nichts. Gritz fiel erst jetzt auf, wie blass er war. Seine Haut war wie aus Pergament. Die auffällige Narbe im Gesicht war fast unsichtbar.
    Später saßen die beiden wieder im Wohnzimmer. Rainer Gritz erzählte doch von dem Fall. Von den beiden toten Tretjaks. Von seinem kurzen Telefonat mit dem echten Gabriel Tretjak. Er legte Maler das Dossier aus seiner Aktentasche auf den Tisch. »Wir haben diesen Mann damals nicht wirklich verstanden, brauchten wir ja auch nicht mehr. Lies das mal. Das ist ein Killer. Und er ist noch viel mehr. Ich glaube, du kannst den gar nicht groß genug denken. Und jetzt diese merkwürdige Geschichte. Ich habe das Gefühl, da passiert was, und wir sind erst ganz am Anfang.«
    »Der Regler«, sagte Maler und machte eine Pause. »Ich habe oft an ihn gedacht, an diesen seltsamen Typen. Nicht wegen mir, nicht wegen damals. Dieser Tretjak, mit seiner Geschäftsidee: Ich regle alles. Ich sage dir, der ist ein Symptom unserer Zeit. Man kann alles regeln, man verändert die Oberfläche, wie sie einem passt, und das Leben läuft wieder. Das ist nicht nur dieser Tretjak, das siehst du überall. Keiner geht an den Kern, keiner will ins Zentrum. Hast du mal was von C. G. Jung gelesen?«
    »Nein.«
    »Ich lese viel von ihm, alles, was ich kriegen kann. Ich lese es in den paar Minuten am Tag, wo ich mich konzentrieren kann. Der sagt, es geht im Leben darum, Kontakt mit seinem Unbewussten herzustellen. Man muss nach innen gehen, zum Kern. Zu seinen Träumen, zu seinen Ängsten. Die innere Welt ist das Entscheidende, nicht die äußere. Das wird dieser Tretjak nie begreifen. Das begreifen die meisten nicht. Ich hatte es auch nicht begriffen. Du weißt, ich hatte früher schon diese Angstzustände, diese Schreckensvisionen, nicht so schlimm wie jetzt, aber immerhin. Ich dachte immer, ich muss die so schnell wie möglich wieder loswerden. Jetzt gehe ich rein. Diese Reise ist jetzt meine Reise.«
    Gritz merkte, dass Maler den aktuellen Fall von sich fernhielt. Er wusste nicht, ob er zu weit ging, aber er sagte es trotzdem: »August, ich brauche dich. Deshalb bin ich hier. Mir ist dieser Tretjak unheimlich. Du kennst ihn. Ich brauche deinen Rat, deine Hilfe.«
    »Es würde doch gar nicht gehen. Ich bin krankgeschrieben. Das wird noch lange so bleiben. Wie soll ich da arbeiten? Das ist dienstrechtlich doch gar nicht erlaubt.«
    »Sorry, aber ich war heute Nachmittag beim Herrn Spenzberger, beim Polizeipräsidenten persönlich. Ich habe mich reingedrängt. Und Spenzberger war gut. Er lässt dir herzliche Grüße ausrichten. Und er hat dir eine Sondergenehmigung erteilt. Eine Art Wildcard. Du kannst ermitteln, aber du musst nicht. Du bist völlig frei, aber du darfst arbeiten. Klingt gut, oder?«
    »Punkt für dich. Respekt.« Maler grinste kurz. Dann schwieg er einen langen Moment. »Rainer, es freut mich, dass du gekommen bist. Und es freut mich, was du alles sagst. Du weißt, wie sehr ich dich schätze, wie wahrscheinlich niemanden sonst. Aber ich muss dir absagen. Erspar mir weitere Einzelheiten. Ich bin am Ende, und ich fühle mich so. Ich bin ganz sicher nicht einsatzfähig. Ich würde dir nichts nutzen – und mir schon gar nichts.«

    Als Gritz die Wohnung verließ, begleitete ihn Inge noch nach unten und bis zum Wagen.
    »Wie geht es dir?«, fragte er.
    »Ich habe Angst«, sagte sie. »Jede Nacht sitzt er auf unserem kleinen Balkon, nur in eine Decke eingewickelt. Stunden und Stunden. Schlafen tut er nicht. Wenn ich frage, was er denkt, sagt er, er kann es nicht beschreiben. Ich habe Angst, dass ich ihn

Weitere Kostenlose Bücher