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Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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den Brief in einen neutralen Umschlag. Seit sie hier war, hatte sie schon mehrmals vergeblich versucht, Tretjak zu erreichen. Auch jetzt ging er nicht ans Telefon, als sie fragen wollte, wohin sie ihren Brief schicken sollte. Schließlich schrieb sie ihre eigene Adresse auf den Umschlag, Rue Mantour, Genf. Der Regler las ja ohnehin ihre Post. Sie gab den Brief an der kleinen Rezeption ab und ging nach draußen.

    Ihr Vater stand schon neben dem Fiat, wartete auf sie und schaute ein paar Jungs zu, die am Strand in der Abendsonne Fußball spielten. Er trug ein grün-blau gestreiftes Poloshirt, Khakihosen und eine Sonnenbrille. Gut sah er aus.

4
    Die Telefonnummer
    Es war der Schmerz, der ihn zu seinem Arzt getrieben hatte, zu Bruno Delgado, der mehr ein Freund als ein Doktor für ihn war. Ein Schmerz, der eine eigene Dimension hatte, den er mit nichts vergleichen konnte, was ihm vorher an Schmerzen begegnet war. Es musste um die Mittagszeit gewesen sein, er war wohl schon eine Stunde wach gewesen, als der Schmerz gekommen war. An den Armen hatte es angefangen, war zu den Beinen hinuntergezogen, wieder hoch, dann war es überall. Ein paar Sekunden nur, dann war es vorbei. Aber es hatte ausgereicht, dass er am Boden lag, gekrümmt. Es hatte sich angefühlt, als wäre heißes Öl durch seinen Körper gelaufen.
    »Wie heißes Öl?«, fragte Delgado. »Klingt nicht gut. Du siehst schlecht aus, noch schlechter als sonst.« Normalerweise hätte er gelacht nach einem solchen Satz, doch diesmal sagte er: »Wir nehmen dir Blut ab, dann gehst du einen Stock tiefer zum Röntgen, und wir machen noch ein EKG. Dann setz dich in ein Café, und in zwei Stunden bist du wieder hier, und wir schauen uns zusammen die Ergebnisse an.«
    Die kleine Privatklinik lag im Stadtteil Palermo Soho, einer der angesagtesten Gegenden von Buenos Aires. Er kannte die Straßen um die Plaza Serrano wie kein anderer, er kannte jeden Club, jedes Hinterzimmer, jede Sauerei, die hier veranstaltet wurde, und hier wurden verdammt viele Sauereien veranstaltet. Er liebte den Zustand, berauscht, betäubt, bewusstlos durch die Nacht zu ziehen, durch die Nächte, und sich am nächsten Morgen nur an wenige Bilder erinnern zu können. Diesmal tauchte die kleine Blonde vor ihm auf. War sie dreizehn gewesen? Eher jünger.
    Er setzte sich in ein Café, erster Stock, mit Blick auf den kleinen Platz, der tagsüber so friedlich aussah. Die Sonne schien. Er bestellte ein Wasser und trank es nicht. Er konnte gar nichts zu sich nehmen. Vorhin auf der Treppe hatte er gedacht: Der Schmerz kommt wieder, es geht wieder los. Die Hand war heiß geworden, doch dann war es gleich wieder vorbei gewesen. Gott sei Dank. Das hatte er tatsächlich gedacht: Gott sei Dank. Wobei Gott für ihn nun wirklich keine relevante Dimension darstellte. Auf was man nicht alles kam, wenn man die Not spürte.

    Als er wieder ins Vorzimmer von Bruno Delgado kam, sagte die Sprechstundenhilfe: »Herr Tretjak, Sie können gleich reingehen, der Doktor wartet schon auf Sie!«
    Delgado saß hinter seinem Schreibtisch, er setzte sich ihm gegenüber. Er mochte Delgado vor allem deswegen, weil er der einzige Arzt war, den er kannte, der viel trank, viel rauchte und alle Drogen der Welt nahm, immer mit dem Zusatz: »Ich bin Arzt, ich kann das. Man braucht nur das richtige Gegenmittel, und dafür bin ich Arzt geworden.« Delgado redete viel, eigentlich ununterbrochen. Diesmal schwieg er.
    »Komm, sag was. Wie ist die Lage?«, fragte der Mann, der hier Tretjak hieß.
    »Die Lage ist sehr schlecht. Mehr als das: Sie könnte nicht schlechter sei. Gabriel, ich habe wirklich überlegt, wie ich dir das sagen soll.«
    »Was willst du mir sagen?«
    »Du wirst sterben. Und zwar unfassbar schnell. Du wirst sterben. Wahrscheinlich heute noch. Gabriel, du lebst nur noch ein paar Stunden.«
    Wie bitte? Was hörte er da? Sterben? Er? Er hatte das Gefühl, sich in einen Zuschauer zu verwandeln. So war das also, wenn einem jemand sagte, du stirbst. In seinem Kopf ging alles durcheinander. Ich. Ich . Wirklich ich . Kein anderer. Dann fragte er: »Was ist das denn für eine Krankheit?«
    »Du hast keine Krankheit. Du bist vergiftet worden. Dramatisch vergiftet. Ich schätze vor zehn Stunden etwa, mitten in der Nacht also.«
    »Vergiftet?«
    »Ich vermute, du hast eine Kapsel geschluckt, in der die andere, die Giftkapsel, drin war. Erinnerst du dich an irgendwas?«
    »Bruno, du kennst mich. Gestern war ’ne harte Nacht. Ich habe im

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