Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)
steht gleich vor der Tür.«
Maler bedankte sich fürs Abholen und überhaupt für den schnellen Termin, den ihm Pendelburg gewährt hatte. Er entschuldigte sich für sein Englisch, »habe länger nicht gesprochen, ich hoffe, es kommt wieder, wenn wir reden«.
»Ihr Deutschen könnt immer gut Englisch. Woran liegt das eigentlich? Na ja, vielleicht sollten wir Engländer uns lieber fragen, woran es liegt, dass wir gar keine Sprachen können.« Pendelburg lachte. »Ihr Kollege, der hier war, sprach sehr gut Englisch. Ein netter Mann …« Pendelburg machte eine Pause. »Tut mir sehr leid, was ihm passiert ist. Es war ein richtiger Schock, als ich in der Zeitung davon las. Ich hoffe, sein Tod hat nichts mit seinem Besuch hier in Penzance zu tun.«
Maler merkte sich diesen letzten Satz, als er in Pendelburgs Wagen stieg. Er wollte erst später darauf zurückkommen. Der Wagen war ein schwarzer Range Rover, Pendelburg hatte die Rückbank entfernt – Maler überlegte kurz, ob wegen irgendwelcher Transporte oder weil Pendelburgs Bauch besser Platz hatte, wenn der Fahrersitz ganz nach hinten geschoben werden konnte.
»Es ist ja schon gleich Mittagszeit«, sagte Pendelburg. »Ich habe uns einen Tisch in einem ausgezeichneten pakistanischen Restaurant reserviert, direkt am Meer. Da gibt es eine wunderbare Platte für zwei Personen, mit lauter kleinen wunderbaren Happen. Und der Trick ist, wir bestellen die Platte zweimal, für jeden von uns. Aber die kennen mich dort schon, ich brauche nichts mehr zu sagen, die Platten kommen automatisch.«
Maler sagte nichts.
»Ich hoffe, Sie haben Hunger. Früher haben mich Flüge immer hungrig gemacht, aber jetzt bin ich schon lange nicht mehr geflogen. Ich brauche das nicht mehr. Ich habe aufgehört, immer unterwegs zu sein. Ich bin nur noch hier. Das gefällt mir.«
Maler sagte, er könne leider nicht so viel essen, er habe gerade einige Probleme mit dem Magen. Aber er leiste ihm sehr gern Gesellschaft.
»Ich habe nie Probleme mit dem Magen«, sagte Pendelburg und fügte hinzu: »Aber das kann man ja sehen, leider.«
Die Fahrt vom Flughafen zum Restaurant dauerte zwanzig Minuten. Der Flughafen lag auf einem Feld, zu dem eine breite Straße führte. Danach wurden die Straßen schmaler, Pendelburg bog von einer kleinen Seitenstraße zur nächsten ab, ihre Fahrt ähnelte dem Weg durch ein Labyrinth, rechts und links eingefasst von grün eingewachsenen Steinmauern, immer wurde es noch enger. Die Straßen waren derart schmal, dass Maler den englischen Linksverkehr gar nicht bemerkt hätte, wenn er nicht beim Einsteigen gleich auf dem Fahrersitz hätte Platz nehmen wollen.
Das Restaurant befand sich in einer winzigen Hafenbucht. Acht Häuser, Steinhäuser mit hölzernen Dächern und Zäunen, jedes in einer anderen leuchtenden Farbe, jedes mit einem Vorgarten, nicht größer als drei Strandtücher. Die Sonne schien und brachte das blaue Meer zum Funkeln. Ein leichter, schon ziemlich kalter Wind wehte. Die beiden Männer standen eine Weile schweigend nebeneinander und blickten aufs Wasser. Maler atmete tief ein, für einen Augenblick bildete er sich ein, jeder dieser tiefen Atemzüge lade seinen Lebensakku auf. Was für ein friedlicher Ort, dachte Maler. Welch ein Kontrast zu seinem eigenen Leben.
Im Lokal wurde John Pendelburg wie ein König empfangen. Alle Kellner kamen herbei, der Besitzer auch, ein dicker dunkelhäutiger Mann mit Schnurrbart, sogar die beiden Köche rückten zur Begrüßung an. Es hätte nur noch gefehlt, dass man Pendelburg auf einer Sänfte zum Platz getragen hätte. Aber wer weiß, dachte Maler, noch ein paar Jahre, und es war so weit. Pendelburg bestellte zwei Bier, zwei Guinness, ohne Maler zu fragen. »Es gibt nichts Besseres für den Magen.«
Der Kommissar fragte Pendelburg nach Tretjak, dem Tretjak von Penzance, der im Maisfeld zu Tode gekommen war. Ob er denn eine Ahnung gehabt hatte, dass dieser Mann früher eine andere Identität hatte? Pendelburg floskelte erst ein bisschen herum über Mr. Big, wie er ihn nannte, wiederholte den einen oder anderen Satz aus seinem Nachruf, den er geschrieben hatte. Doch dann merkte er selbst, wie unpassend das war, nach allem, was passiert war. Und er holte grundsätzlicher aus, hielt ein kleines Referat über die Einwohner von Penzance, was er am Ende in folgender Sequenz zusammenfasste: »Wissen Sie, die Menschen von Penzance wollen ein friedliches, stilles, schönes Leben führen, dafür sind sie bereit, einiges
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