Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
Vom Netzwerk:
Stress. Jede geringste Auffälligkeit bedeutete: Man verbrachte den Tag mit irgendwelchen Ärzten, man wartete vor irgendwelchen medizinischen Geräten. Das konnte er heute wirklich nicht gebrauchen. August Maler hatte anderes vor.
    Deshalb sagte er zu seiner Frau: »36,9, kein Fieber, alles okay.« Deshalb schickte er eine SMS auf seine Kontrollstation in Großhadern: Temperatur 36,9, Puls 72. Seit ein paar Tagen arbeitete Inge wieder in ihrem Institut. Sie verließ morgens mit den beiden Kindern um kurz nach halb acht die Wohnung, fuhr sie zur Schule und machte sich danach gleich auf den Weg ins Büro. Sie hatten einen Deal: Er musste ihr alle zwei Stunden eine SMS schicken, zu ihrer Beruhigung. Das war auch heute der Plan.
    Maler zog seine beige Stoffhose an, den schwarzen Pullover und das beigebraune Jackett. Es war wenige Minuten nach acht Uhr. Gleich kam das Taxi. Frau Gebauer hatte alles für ihn gebucht, auch das Taxi. Normalerweise war für Polizisten die Taxifahrt zum Flughafen, für rund 75 Euro, ein absolutes Tabu, aber für Polizisten im Sonderauftrag, hatte Frau Gebauer gesagt, gehe das schon in Ordnung. Wenn alle Flüge pünktlich waren, würde er gegen 19 Uhr wieder in München landen. So war der Plan.
    Und wenn heute der Anruf kam, aus Großhadern? Herr Maler, Ihr Herz ist da, kommen Sie bitte so schnell Sie können ins Klinikum. Sollen wir Ihnen einen Notarztwagen schicken, oder kommen Sie selbst? Beim ersten Mal, vor sechs Jahren, hatte er gerade in der Bank am Geldautomaten gestanden, als der Anruf gekommen war. Die Tasche hatte Inge längst gepackt, die Kinder, noch ganz klein, waren von der Oma geholt worden. Es war alles völlig ruhig abgelaufen, wie in Zeitlupe. Maler hatte seinen Wagen selbst auf den riesigen Parkplatz gefahren. Er brauchte an diesem Tag auch keinen Rollstuhl für den langen Krankenhausgang, er war an diesem Tag ganz gut drauf gewesen. Als er vier Stunden später in seinem Bett in den OP-Bereich geschoben wurde, lief Inge nebenher. Sie nahm seine Hand, sie küsste ihn und sagte irgendetwas. Er konnte sich später nicht daran erinnern, was es gewesen war. Inge sagte, sie wisse es auch nicht mehr. Maler wusste aber noch genau, an was er gedacht hatte, kurz bevor die Betäubungsspritze wirkte. Es war eine Erinnerung, viele Jahre ging sie zurück, da hatte er Inge noch gar nicht gekannt. Eine Begegnung auf einer Zugfahrt nach Italien war es gewesen, Urlaub, er hatte im Abteil gesessen, sie war zugestiegen, vier, fünf Stunden hatten sie sich unterhalten, ein großartiges Gespräch. Schmal war sie gewesen, blond, sexy, und sie war von Minute zu Minute immer noch attraktiver geworden. Florenz war sein Ziel gewesen. Kurz bevor er ausstieg, fragte sie ihn, ob er nicht mit ihr mitfahren wolle, bis nach Sizilien. Er hatte gezögert, aber er war ausgestiegen, er, der Idiot. Daran hatte er gedacht, kurz bevor das neue Herz kam, das erste neue Herz. Vielleicht weil es ihm immer gefallen hatte, Möglichkeiten zu haben. Überlegen zu können, was gewesen wäre, wenn er damals weitergefahren wäre. Und er dort, in diesem OP, gar keine Möglichkeiten gehabt hatte, überhaupt keine.
    Wenn heute der Anruf aus Großhadern kam? Und er sagen müsste, es ist gerade nicht so günstig, ich bin nämlich in England. Oder am Flughafen. Er wollte sich nicht ausmalen, wie er seinem Herzprofessor das erklären sollte und Inge. Er dachte: Der Anruf wird heute nicht kommen. Die Wahrscheinlichkeit war einfach äußerst gering, und seiner Lebenserfahrung nach war die Wahrscheinlichkeit nicht die schlechteste Größe, nach der man sein Leben richten konnte.

    Erst London, dann Penzance. Maler war auf beiden Flügen kurz eingenickt. Er schlief immer ein, kurz nach dem Start, das musste etwas mit den Druckverhältnissen zu tun haben, dachte er. Es waren ruhige, angenehme Flüge. Flugangst, das war mal eine Angst, die er nicht kannte. Seine Sitznachbarn wollten sich nicht mit ihm unterhalten, die Reise hatte also gut angefangen.
    In Penzance in der winzigen Ankunftshalle, die zugleich auch Abflughalle war, wartete, wie verabredet, John Pendelburg, der Chef der lokalen Zeitung. »Ich brauche mich nicht zu beschreiben, Sie werden mich erkennen, Sie werden sehen«, hatte er gesagt. Und er hatte recht: Da stand ein großer Mann, etwa einen Meter neunzig, schmaler Kopf, schmale Beine und ein gewaltiger Bauch. »Herr Kommissar Maler? Ja, schön, dass Sie hier sind. Mein Name ist Pendelburg. Kommen Sie, mein Wagen

Weitere Kostenlose Bücher