Die Stunde des Schakals (German Edition)
tatsächlich, Donkerkop zu einem Geständnis bewegen zu können? Wie denn? Womit denn?
«Ich könnte Ihnen sowieso keinen Zugang zu Donkerkop verschaffen, selbst wenn ich wollte», sagte Clemencia.
«Lassen Sie das meine Sorge sein!»
«Haben Sie eine Vorstellung, was am Heldenacker jetzt los ist?»
«Ich habe einflussreiche Freunde. Lassen Sie mich nur kurz telefonieren!»
Ohne genau zu wissen, warum, nickte Clemencia. Während Fourie ins Haus hastete, ging sie zu Oshivelos Wagen. An der Fahrertür stand Lucas Elagos kleiner Sohn. Die Kalaschnikow, die Clemencia am Abend zuvor unter dem Auto versteckt hatte, hing schwer in seinen dünnen Armen. Barfuß, übermüdet und mit diesem elenden, verlorenen Blick wirkte er wie einer der Kindersoldaten der berüchtigten ugandischen «Befreiungsarmee des Herrn».
«Gib mir das bitte!», sagte Clemencia so sanft wie möglich. Wie hieß der Junge gleich noch? Wie hatte Fourie ihn genannt? Nangolo?
«Gib mir das Gewehr, Nangolo!» Clemencia machte einen Schritt auf ihn zu.
«Ist es das von meinem Vater?» Er drückte das Gewehr an seine Brust.
Clemencia streckte die Hand aus. «Dein Vater braucht es nicht mehr, und du, du wirst es nie brauchen.»
Der Junge sagte nichts. Clemencia griff nach dem Lauf der AK-47. Der Junge ließ sie sich widerstandslos abnehmen. Ohne Clemencia anzusehen, fragte er: «War mein Vater ein Held?»
Ndangi Oshivelo, Deputy Commissioner der namibischen Polizei:
Die Unterstellung, dass ich die Situation am Heroes’ Acre eskalieren lassen wollte, ist völlig haltlos. Erstens bin ich Patriot. Das habe ich über Jahrzehnte bewiesen. Und als solcher versucht man, die Zerstörung nationaler Denkmäler und den Tod Unschuldiger zu vermeiden. Zweitens bin ich nicht dumm. Zwar konnte ich Fouries Absichten zu diesem Zeitpunkt nicht genau einschätzen, doch dass er mit falschen Karten spielte, war mir klar. Und drittens hatte ich nicht den geringsten Grund, Donkerkop – ich meine, Herrn Cloete – zu beseitigen. Ganz im Gegenteil, was er zur Aufklärung des Mordes an Anton Lubowski beizusteuern hatte, war ja auch für mich höchst interessant. Ich hatte doch nichts zu befürchten!
Warum ich dann auf die Verhandlungsangebote Cloetes nicht eingegangen bin? Warum ich mich letztlich für eine gewaltsame Lösung ausgesprochen habe? Nun, ganz einfach, um Herrn Fourie aus der Reserve zu locken. Ich wollte sehen, wie er reagierte, wenn ihm das Steuer aus den Händen glitt. Ob ich recht hatte, mag jeder selbst beurteilen. Ich bezweifle jedenfalls stark, dass wir sonst da stünden, wo wir jetzt stehen. Und darauf sollten sich meiner Meinung nach alle Parteien konzentrieren, statt sich in wilden Spekulationen zu verlieren.
Oshivelo saß neben einem Armeeoffizier unter dem Vordach des Heroes’-Acre-Restaurants. Zu seinen Füßen stand ein Megaphon. Die Verhandlungen schienen abgebrochen worden zu sein. Oshivelo setzte den Feldstecher ab, als Clemencia ihn ansprach. Er blieb völlig gelassen. Dass sie suspendiert war und sich keinesfalls vor ihm blicken lassen sollte, erwähnte er mit keiner Silbe. Stattdessen wandte er sich an Fourie: «So, Sie wollen also den Mann zur Aufgabe bewegen?»
«Ja», sagte Fourie.
Oshivelo nickte. Für Fourie sei schon interveniert worden. Offensichtlich habe er sehr wichtige Freunde, und deswegen solle er von ihm aus tun, was er nicht lassen könne. Auf eigene Gefahr natürlich. Der hohe Militär neben ihm nickte ebenfalls, und damit schien die Sache erledigt. Oshivelo nahm das Fernglas wieder auf.
Gegenüber zog sich der zentrale Teil der Gedenkstätte wie eine Stufenpyramide den Hügel hinauf. Mit schwarzen Steinplatten bedeckte Schrägen, die fast wie getöntes Glas wirkten, und in der Waagerechten Beete mit verdorrten Bodendeckerpflanzen. Nur in den obersten drei Reihen waren Gräber und Gedenktafeln eingelassen, der große Rest war frei und harrte weiterer Helden. Über den Gräbern, auf etwa vier Fünfteln der Hanghöhe, war eine größere plane Fläche angelegt. Der gerundete Fries, der sie nach hinten begrenzte, zeigte in überdimensionalen Halbreliefs den Freiheitskampf der Namibier von der Kolonialzeit bis zur Unabhängigkeit. Davor erhob sich ein schwarzer Sockel. Auf ihm stand ein Obelisk und vor diesem wiederum die bronzen schimmernde Monumentalstatue eines Freiheitskämpfers. Dass dessen Züge denen des Gründungspräsidenten Sam Nujoma in jüngeren Jahren glichen, war auf die Entfernung nicht zu erkennen,
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