Die Stunde des Schakals (German Edition)
den Farmgebäuden mit der Suche beginnen.»
«Wenn Sie meinen!», sagte Fourie.
«Lassen Sie uns einen Moment überlegen», sagte Clemencia. «Lucas Elago hat die Frau entführt, als er schon sehr schwach war. Er wusste, dass ihm kaum Zeit blieb, sonst wäre er nicht ein paar Stunden später hier erschienen, um im Kreise der Familie zu sterben. Dass er vorher noch durch halb Namibia fuhr, um irgendwo seine Geisel zu verstecken, ist unwahrscheinlich. Am liebsten hätte er sie wohl mitgebracht, doch dann wären seine Familie und – schlimmer noch – Sie, Herr Fourie, kaum aus der Sache herauszuhalten gewesen. Das wollte er vermeiden, damit sein Geschäft mit Ihnen nicht im letzten Moment platzte. Denn Sie würden für seine Kinder nur zahlen, wenn er die Alleinschuld an allen Verbrechen übernahm.»
«Das ist doch alles Unsinn! Kein Mensch, der bei Sinnen ist, wird einer solchen Geschichte …»
«Was wäre zum Beispiel gewesen, wenn Oshivelos Frau Sie hier gesehen hätte? Oder wenn sich später herausgestellt hätte, dass Sie auf ihre Hilferufe nicht reagiert hätten? Man hätte sie höchstens umbringen können, aber das wollten Sie nicht. Die Frau ist ja keine CCB-Agentin und Mörderin. Also musste Elago sie unterwegs loswerden. Zwischen Windhoek und Ihrem Farmhaus. Geben Sie mir recht?»
Fourie antwortete nicht. Clemencia fuhr fort: «Andererseits ist es nicht so einfach, eine entführte Frau sicher unterzubringen, wenn man seinen einzigen Komplizen nicht damit behelligen darf. Man findet allenfalls dort einen geeigneten Ort, wo man sich auskennt. Wie lange hat Lucas Elago auf Ihrer Farm gearbeitet? Vermutlich lange genug, um jeden Winkel Ihrer fünfzehntausend Hektar zu kennen? Jeden Viehposten, jede kleine Schutzhütte irgendwo in den Bergen, wo eine angekettete Frau wochenlang um Hilfe rufen könnte, ohne dass jemand außer den Schakalen sie hörte? Gibt es vielleicht irgendwo eine solche Hütte?»
«Das ist lächerlich», sagte Fourie.
«Gibt es sie?», fragte Clemencia.
«Nein», sagte Fourie.
«Fünfzehntausend Hektar sind eine ganze Menge Land», sagte Clemencia, «aber auch nicht so viel, dass man sie nicht mit Hilfe eines Hubschraubers und ein paar Hundertschaften Polizei in annehmbarer Zeit durchsuchen könnte.»
Fourie sah auf den Toten im Bett hinab. Er hob die Rechte, wie um sich zu bekreuzigen, stoppte aber in der Bewegung, ließ die Hand wieder sinken und wandte sich zur Tür. Clemencia folgte ihm auf dem Fuß Richtung Haupthaus. Die Erde um die Zitronenbäume roch feucht. Unter den Bougainvilleen lag ein Blütenblätterteppich, den die Regengüsse dort ausgebreitet hatten. Die Wolken, die von Osten nahten, waren weiß und wirkten harmlos. Man konnte sich schwer vorstellen, dass sie ein neues Gewitter brächten. Fourie sagte: «Nur mal angenommen, Sie fänden die Entführte …»
«Ja?» Es sah so aus, als habe Clemencia goldrichtig gelegen. Irgendwo hier auf Fouries Land wurde Oshivelos Frau gefangen gehalten!
«… dann würde Ihr Chef Donkerkop erschießen lassen, nicht?», fuhr Fourie fort. «Noch ein Toter! Und der Mord an Lubowski bliebe für immer ungeklärt!»
«Möglich, aber deswegen werde ich nicht eine unschuldige Frau angekettet verhungern lassen.»
Fourie blieb stehen, hob eine Zitrone vom Boden auf und wischte die feuchte Erde von der Schale. Er sagte: «Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Lassen Sie mich mit Donkerkop reden! Allein. Nur ein paar Minuten.»
«Warum sollte ich das tun?»
«Ich könnte mir vorstellen, wohin Elago die Frau gebracht hat.»
«Dann sagen Sie es, verdammt!»
«Vor zwanzig Jahren wurde Anton Lubowski niedergemäht. Seitdem ist nichts passiert, was auch nur entfernt nach Gerechtigkeit …»
«Wenn Sie wissen, wo Oshivelos Frau ist, und es verschweigen, machen Sie sich strafbar», sagte Clemencia, obwohl das lächerlich war. Als ob es bei einem, der fünf Morde in Auftrag gegeben hatte, darauf ankäme!
«In einer guten halben Stunde wären wir am Heroes’ Acre», sagte Fourie. «Zehn Minuten allein mit Donkerkop, mehr brauche ich nicht, und dann holen Sie die Frau heraus. Keine ganze Stunde verlange ich von Ihnen! Wissen Sie, wie viele Stunden zwanzig Jahre sind?»
Clemencia hatte keine Ahnung, was Fourie plante. Wollte er sich zusammen mit dem letzten der Lubowski-Attentäter in die Luft sprengen? Weil er keinen Ausweg sah, weil es keine Chance mehr gab, die Wahrheit über den Mord an Lubowski ans Tageslicht zu bringen? Oder glaubte er
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