Die Stunde des Schakals (German Edition)
wohl aber die Stielhandgranate in der erhobenen rechten Hand und, wenn man genau hinsah, die umgehängte Kalaschnikow mit aufgestecktem Kurzbajonett.
Zu Füßen der Statue hockte ein Mann. Das musste Martinus Cloete gleich Donkerkop sein, der letzte der mutmaßlichen Lubowski-Mörder. Er lehnte den Rücken gegen den stilisierten Felsblock, aus dem ein Bein des Freiheitskämpfers herauswuchs, und sah winzig aus. Irgendwie erbärmlich. Clemencia kniff die Augen zusammen. Irgendetwas hatte der Mann umgeschnallt, aber ob es Sprengstoff oder Attrappen waren, konnte man sicher auch mit einem Feldstecher nicht feststellen.
Die Sicherheitskräfte hielten sich jedenfalls in respektabler Entfernung. Es handelte sich um Soldaten in Tarnanzügen, die außerhalb der gepflasterten Seitenauffahrten mit ihren Gewehren im Buschveld lagen. Klar, die Namibian Defence Force war hier Hausherr und hatte sicher versucht, das Problem Donkerkop zu einer Sache der nationalen Verteidigung zu erklären. Einzig bei den Leuten, die das untere Ende des Pyramidenhügels absicherten, befanden sich auch uniformierte Polizisten.
Zwischen den Fahrzeugen, die ihnen als Deckung dienten, schlängelte sich gerade Fourie durch. Er überquerte den Paradeplatz auf die ewige Flamme zu. Um sie hingen auf Metallgestellen ein paar verwelkte Blumengebinde, die vom nächtlichen Gewitter noch zusätzlich ramponiert worden waren. Sicher waren sie mit gegenteiliger Absicht hier platziert worden, doch nun verdeutlichten sie allenfalls, dass Erinnerung und Ruhm vergänglich waren. Am Fuß der Treppe blieb Fourie stehen. Er holte aus seiner Hosentasche ein weißes Taschentuch hervor und schwenkte es über seinem Kopf. Der Mann oben am Hügel reagierte nicht. Langsam Stufe für Stufe nehmend, begann Fourie hinaufzusteigen.
Bisher hatte Clemencia geschwiegen, um ihm das Gespräch zu ermöglichen, das er erbeten hatte. Wenn er zurückkehrte – falls er denn lebend zurückkehrte –, würden die Handschellen klicken, egal, ob er seinen Teil der Abmachung erfüllte und verriet, wo sich Oshivelos Frau befand. Dann war der Zeitpunkt, seine Verwicklung in die Verbrechen zu offenbaren. Einstweilen wollte Clemencia sich darauf beschränken, ihren Chef über die unbestreitbaren Fakten aufzuklären. Sie berichtete knapp über den Tod des Killers auf Fouries Farm und über das Auffinden von Oshivelos Auto. Nein, sonst gebe es noch keine konkrete Spur von seiner Frau. Oshivelo knurrte grimmig. Sobald das hier erledigt sei, werde er sich darum kümmern. Er hatte den Feldstecher beiseitegelegt, wohl um Donkerkop und Fourie gleichzeitig im Auge behalten zu können.
Der Ex-Richter hatte mehr als die Hälfte der Mitteltreppe bewältigt und blieb nun stehen. Der Mann am Fuß der Freiheitskämpferstatue beugte sich vor und rief irgendetwas nach unten. Der Wind zerfetzte die Worte, man verstand sie genauso wenig wie die Antwort Fouries, doch anscheinend fiel sie zufriedenstellend aus, denn als er die nächsten Stufen in Angriff nahm, protestierte Donkerkop nicht. Die Polizisten, die im Gastraum des Restaurants ein Lagezentrum improvisiert hatten, drängten nun ebenfalls auf die Terrasse heraus. Tjikundu war dabei. Und das Ekel von Robinson auch. Links unten am Parkplatz kam Bewegung in die dort postierten Soldaten. Aus einem NDF-Lastwagen, der noch aus Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR stammen musste, wurden schwere Maschinengewehre ausgeladen.
Fourie bekam nichts davon mit. Er stieg weiter auf die Statue zu. In deren rechter Hand drohte die überdimensionale bronzene Stielhandgranate, und Fouries Taschentuch flatterte im Wind, als ob er sich ergeben wolle. Aber der Eindruck täuschte. Dieser alte, schmächtige weiße Mann, der sich aufgemacht hatte, gewaltsam eine Wahrheit zu erzwingen, die jedermann sonst gern im Dunkel der Geschichte gelassen hätte, würde seinen Krieg kaum gewinnen können, doch ergeben würde er sich auch nicht. Dessen war sich Clemencia sicher. Bis zum letzten Atemzug würde er kämpfen.
Fourie hatte nun die obere Plattform erreicht und schritt auf die schwarzgekachelte Schräge zu, auf der in großen, verschnörkelten Buchstaben zu lesen war: «Glory to the fallen Heroes and Heroines of the Motherland Namibia!» Ob es an diesem Schriftzug lag, ob an der pompösen Architektur des Heldenackers insgesamt, an dem flatternden Taschentuch Fouries, an den Soldaten, die eines der Maschinengewehre außerhalb von Donkerkops Blickfeld den Hügel
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