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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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traf es jeden, den Verkehrspolizisten, Morgan und ihn selbst. Doch manche Menschen wollten das nicht akzeptieren. Eigentlich die meisten. Er sagte: «Von mir aus wirst du hundert Jahre alt, Morgan. Überleg doch mal: Von mir weiß keiner. Wenn die Polizei den Toten in deinem Lastwagen findet, wen hat sie dann als Mörder in Verdacht?»
    Morgan schüttelte stumm den Kopf.
    «Dich natürlich. Du bist angehalten worden, der Polizist hat entdeckt, dass du eine illegale Waffe bei dir trägst, und wollte dich festnehmen. Da hast du ihn erschossen.»
    «Ich?»
    «Du wirst leugnen, wenn sie dich erwischen. Du wirst die Schuld auf einen Unbekannten schieben, der bei dir im Laster mitgefahren ist. Du wirst sein Aussehen genau beschreiben, aber sie werden dir kaum zuhören. Es wird nämlich keine Spur von einem Unbekannten geben. Es kostet sie einen Anruf bei deiner Firma, um zu wissen, wer du bist, und dann werden sie dich jagen. Und wenn ich es mir recht überlege, wirst du wahrscheinlich nicht viel Gelegenheit haben, irgendetwas zu leugnen. Sie mögen nämlich keine Polizistenmörder. Mit so einem machen sie gern kurzen Prozess. Bei einer Festnahme kann ja so leicht etwas schiefgehen. Eine Kugel kann sich unbeabsichtigt lösen, ein Warnschuss fehlgehen, oder vielleicht glaubt einer, dass du nach deiner Waffe greifst. An deiner Stelle würde ich wirklich versuchen, ihnen nicht in die Hände zu fallen. Ich aber, ich werde dich nicht umbringen, Morgan.»
    «Nein?», fragte Morgan ungläubig.
    Zumindest eine Weile sollte Morgan die Polizei beschäftigen können. Wenn alles glattlief, müssten zwei Tage reichen.
    «Wenn ich ein Dutzend Kugeln im Leib habe, muss es ja jemanden geben, der das getan hat», sagte Morgan. Seine Stimme klang immer noch zweifelnd, doch langsam schien er zu begreifen. «Dann kann ich ja nicht der Mörder sein!»
    «Zumindest nicht der einzige.»
    «Aber ich bin der einzige! Dich gibt es gar nicht. Ich bin der Mörder. Ich ganz allein!» Morgan blickte zu ihm herüber. Seine Augen leuchteten. Ein Grinsen zog sich durch sein Gesicht, und dann lachte er los. Erleichtert, befreit, so glücklich, wie er es wahrscheinlich noch nie gewesen war. Wie schön es doch sein konnte, ein Mörder zu sein! Zumindest, wenn man am Leben hing.
    «Schau auf die Straße, Morgan!», sagte er. Es war fast zum Lachen. Weil der Mann noch ein wenig Zukunft vor sich sah, flippte er so aus, dass er sie sofort wieder aufs Spiel setzte.
    «Du kannst mich gar nicht umlegen, weil du sonst als Mörder …»
    «Ich tu es trotzdem, bevor du uns beide umbringst.» Er richtete die Kalaschnikow auf Morgan. Der wandte den Kopf nach vorn und riss sich endlich zusammen. Er steuerte jetzt ruhiger, wich konzentriert großen Steinbrocken aus, schaltete herab, wo die Fluten längst vergangener Regenzeiten tiefe Rinnen durch die Straße gezogen hatten. Folgsam bog er nach rechts ab, als es ihm befohlen wurde.
    Die Farmpad war in miserablem Zustand und eigentlich nur für Allradfahrzeuge passierbar. Morgan fuhr wie auf rohen Eiern, liebkoste das Kupplungspedal, ließ den Wagen Reifen für Reifen über die Hindernisse klettern, gab nur entschlossen Gas, wenn sie eine Steigung nicht zu schaffen drohten. Einmal mussten sie aussteigen, um mit Steinen eine behelfsmäßige Rampe zu bauen. Dennoch schrammte die Ölwanne über die Felskante. Bald darauf war der rechte Hinterreifen platt, doch ihn zu wechseln lohnte die Mühe nicht mehr. Nach Karte und Kilometerstand zu schließen, waren sie sowieso fast da. Ein paar hundert Meter fuhren sie auf der Felge weiter. Bei einem größeren Felsblock ließ er Morgan anhalten, unter den Wagen kriechen und die Ölablassschraube aufdrehen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Morgan doch auf die Idee käme, sich der Polizei zu stellen, sollte er wenigstens nicht so schnell dort auftauchen können.
    «Kann ich jetzt gehen?», fragte Morgan.
    «Setz dich!», antwortete er und deutete auf die sonnenabgewandte Seite des Felsens. Er ließ sich neben Morgan nieder und sagte, dass er ihn beim ersten Wort erschießen würde. So saßen sie da, Seite an Seite, Stunde um Stunde, und sahen zu, wie die Eidechsen vorbeihuschten, wie eine große, gelb-schwarze Spinne zwischen dem Felsen und einem dürren Busch ihr Netz baute und wie die Schatten langsam über den steinigen Boden wanderten.
    Dann brach die Dämmerung herein, und die ersten Sterne blinkten durchs Grau. Er zog imaginäre Linien von einem zum anderen. Er wollte sehen,

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