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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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hineinsprechen zu können. Den Kopf hatte er allerdings zur Seite gedreht, auf die Scheinwerfer meines Autos zu. Seine Augen waren weit aufgerissen, kein Blinzeln, kein Wimpernschlag, nichts. Sein Gesichtsausdruck ließ erkennen, dass er wusste, was gleich geschehen würde.
    Nur für mich geschah nichts. Dass ihn die Kugeln aus der AK-47 trafen, habe ich nicht mitbekommen. Ich sah ihn erst wieder in einer erstarrten Pirouettenbewegung, die schwarzen Locken zur Seite geworfen, ein Knie schon auf dem Boden, das andere Bein seltsam verdreht, und neben seiner Hand mit den weit gespreizten Fingern schwebte die Aktentasche waagerecht in der Luft, als wäre die Schwerkraft aufgehoben. Diese verfluchte schwebende Aktentasche hatte ich jedes Mal vor Augen, wenn mich die Albträume späterer Nächte aus dem Schlaf schrecken ließen.
    Das nächste Bild in meiner Erinnerung zeigt nicht viel. Das Scheinwerferlicht lag über der schwarzen Straße, und in ihm waren die Beine Achesons zu erkennen. Sein Körper verschwand nach oben hin im Dunkel der Nacht. Acheson trug Jeans und Lederstiefel. Halbhohe braune Lederstiefel. Der Marlboro-Man, dachte ich. Ich weiß nicht, warum. Die Tonspur lief kontinuierlich weiter, während meine Filmbilder auf Pause standen. Ich sah immer noch Achesons Stiefel auf dem Asphalt, obwohl er schon die Beifahrertür des Toyotas aufriss und hereinschrie: «Ich habe ihn erwischt!»
    «Ist er tot?» , fragte Barnards gehetzte Stimme.
    «Was weiß ich!» , brüllte Acheson.
    «Jemand muss rüber und ihm noch eine verpassen!» , zischte Barnard.
    «Nun mach schon, Junge!» , drängte Maree.
    «Ich?» , hörte ich meine Stimme fragen.
    «Er macht sich in die Hosen!» , stichelte Barnard.
    «Wer nicht für uns ist, ist gegen uns» , drohte Acheson, und dann waren die Lederstiefel verschwunden, und ich saß plötzlich nicht mehr hinterm Steuer, sondern stand draußen in der Nacht, zwischen dem weißen BMW und dem Tor mit der Sprechanlage. Weiß der Himmel, wie ich dorthin gelangt war! Hinter dem Tor bellten zwei Hunde wie verrückt, und ich sah in Großaufnahme meine Hand, die eine Pistole umklammerte, und der Lauf der Pistole zeigte schräg nach unten, auf die schwarzen Locken über dem Asphalt.
    Ich dachte noch, der rührt sich nicht, der ist tot, du brauchst nicht zu schießen, man schießt doch nicht auf einen Toten! Aber ob er wirklich schon tot war, wusste ich damals nicht und weiß ich bis heute nicht, denn vor meinen Augen rührte sich ja überhaupt nichts. Alles schien starr und festgefroren, ich eingeschlossen. Selbst mein Finger am Abzug der Pistole bewegte sich nicht, und doch hörte ich den Schuss, also muss ich wohl abgedrückt haben.
    Dann saß ich wieder im Wagen. Sobald ich losfuhr, liefen Zeit und Handlungen wieder ohne jede Störung ab. Ich sah meine rechte Hand am Lenkrad drehen, meine linke die Gänge hineindrücken, ich gab Gas, der Wagen reagierte, fraß Meter um Meter der Straße, ich bog ab, einmal, zweimal, blickte in den Rückspiegel. Niemand verfolgte uns, und wenige Minuten später erreichten wir Achesons Wohnung in der Love Street. Staal Burger und van Zyl warteten vor der Tür. Sie wollten noch ein Bier trinken und fragten, ob ich mit hineinkäme. Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte genug. Von ihnen, von mir, von allem. Für den Rest meines Lebens hatte ich genug.
    Zum Abschied sagte mir Donald Acheson: «Wenn alle das Maul halten, kommt nie heraus, wer Lubowski endgültig das Licht ausgeblasen hat.»
    «War jedenfalls ein guter Schuss!» , sagte Maree und schlug mir auf die Schulter.
    «Ich glaube, du hattest recht, Chappies, der Junge wird uns nicht verraten» , kicherte Barnard. «Jetzt nicht mehr.»
    Ich hätte sie damals alle umlegen und mich sofort der Polizei stellen sollen. Ich wäre zu lebenslänglich verurteilt worden und hätte meine fünfzehn Jahre abgesessen. Von mir aus auch zwanzig. Dann wäre ich nächstes Jahr ein freier Mann.
     
    Der Wind stand günstig. Er kam vom Farmhaus her und war stark genug, dass die Bullterrier keine Witterung aufnehmen konnten. Clemencia hatte befürchtet, dass sie nachts laufen gelassen würden, doch sie waren immer noch vor der Tür angekettet. Wahrscheinlich würden sie sonst die Schakale durch die halbe Kalahari jagen. Die Fenster hatte Acheson blickdicht verrammelt. Nur ein dünner Lichtstreifen am unteren Ende der Eingangstür verriet, dass sich jemand im Haus befand.
    Der Terroristenzaun war im Laufe des Nachmittags nicht fertig

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