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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Ob Acheson die Wahrheit gesagt habe, könne niemand wissen, aber es sei die heißeste Spur, die sie hätten.
    «Und Sie, Chefin?», fragte Angula.
    «Ich bleibe hier.» Als Zeuge mochte Acheson unzuverlässig sein, als Lockvogel war er jedoch unbezahlbar. Zumindest, wenn er nicht in einer Windhoeker Zelle saß, sondern sich scheinbar unbewacht von der Polizei auf seiner Farm verschanzte. Der Killer war in der Nähe, und er würde versuchen, seinen Job zu erledigen, dessen war sich Clemencia sicher. Nie war sie ihm so nahe gewesen, nie hatte sich eine bessere Chance geboten, ihn zu stellen.
    «Er hat schon einen Polizisten erschossen», sagte Angula.
    Clemencia stellte sich vor, was Matti Jurmela jetzt sagen würde: Wir werden bezahlt, um unsere Arbeit zu tun, nicht, um Helden zu spielen. Die letzten Helden sind schon lange tot, und mit ihnen ist der Beruf ausgestorben. Und das ist gut so!
    Doch das galt für Finnland, nicht für Afrika. In Namibia starb man zwar schneller als in Europa, dafür aber nicht so endgültig. Keineswegs konnte man sicher sein, dass die Toten wirklich tot waren. Und selbst wenn, mischten sich die Geister der toten Helden tagtäglich ins Leben ein. Jurmela war ein ausgezeichneter Polizist, doch davon verstand er nichts. Clemencia holte ihre Dienstpistole hervor und prüfte das Magazin. Ihre Hände zitterten.
    Angula klappte die Lehne des Sitzes nach hinten. Er sagte: «Sie sollten sich auch ein wenig ausruhen, Chefin. Uns könnte eine unruhige Nacht bevorstehen.»
     
    Er saß auf dem Beifahrersitz des Polizeiwagens und hielt die Kalaschnikow in beiden Händen. Morgan fuhr. Den toten Polizisten hatten sie auf die Kartons gehievt und dann den Laderaum verschlossen. Ein wenig Zeit hatten sie dadurch gewonnen, wenn auch nicht allzu viel.
    Der Polizist am Radarmessgerät musste die Schüsse gehört haben, wenn nicht gerade zufällig ein paar Lastwagen vorbeigedonnert waren. Er würde probieren, seinen Kollegen per Funk zu erreichen, und nach dem zweiten oder dritten vergeblichen Versuch vermutlich zu Fuß losmarschieren. Für zwei Kilometer würde er höchstens zwanzig Minuten brauchen, wahrscheinlich weniger. Er würde den verlassenen Lastwagen mit gezogener Pistole umkreisen und die Blutspuren auf dem Asphalt finden. Er würde Verstärkung aus Gobabis anfordern. Erst wenn die kam, würden sie zusammen die Laderaumtür aufbrechen. Ein Großalarm würde frühestens nach zwei Stunden ausgelöst werden.
    Anderthalb Stunden waren vergangen. Sie waren über eine Farmpad geholpert, bis sie die D 1707 erreicht hatten. Der waren sie nach Westen gefolgt und dann nach Süden abgebogen. Inzwischen fuhren sie die D 1715 entlang und hatten gerade die Einfahrt zur Farm Marie Noord passiert. Er würde versuchen, mit dem Auto bis auf ein paar Kilometer ans Ziel heranzukommen. Die Polizei hatte keine Ahnung, wohin er unterwegs war. Sie würden gerade mal die Hauptstraßen sperren. Er konnte irgendwo im Veld warten, bis es dunkel war. Er hustete.
    «Was passiert ist, ist passiert», sagte Morgan plötzlich. Das war so richtig, dass es nicht eigens gesagt werden musste. Bisher hatte Morgan dankenswerterweise geschwiegen, hatte jede seiner Anweisungen wortlos und unverzüglich ausgeführt, aber nun schien der Schock von ihm abzufallen. Wenn das bloß nicht wieder bei den Nutten von Bulawayo endete!
    «Was vorgefallen ist, geht mich gar nichts an», sagte Morgan und blickte zu ihm herüber. «Ich habe nichts gesehen und nichts gehört.»
    «Schau auf die Straße!», sagte er.
    Morgan stierte nach vorn, redete aber weiter. Hastig, mit viel zu hoher Stimme. So, als wisse er genau, dass alles Reden vergeblich war. «Warum lässt du mich nicht einfach hier am Straßenrand heraus und fährst alleine weiter? Wenn sie mich ausfragen, sage ich, ich hätte mein Gedächtnis verloren. Ich könnte mich an nichts erinnern. Ich wüsste nicht einmal, wer ich selbst bin.»
    Wer wusste schon, wer er selbst war? Man bastelte sich eine Vorstellung zusammen, bis irgendetwas geschah, das dieses Bild in Stücke schlug. Statt daraus zu lernen, fing man sofort wieder an, die Teile notdürftig zusammenzukleben, ein wenig anders als vorher, aber nicht minder falsch. Und das ging immer so weiter, bis …
    «Ich will nicht sterben», kreischte Morgan. «Ich habe Familie, ich habe Kinder. Die brauchen mich!»
    Familie hatten sie alle. Jeder seine eigene. Das kümmerte den Tod nicht. Der nahm sich trotzdem, wen er wollte. Früher oder später

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