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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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dumpfer Schlag, ein verdrehtes Knäuel aus Hundefell, das Knirschen der Eisenkette und ein jämmerlich japsendes Aufwinseln, das in einem zweiten, lauteren Schlag erstarb. Holz brach, Glas splitterte. Die Stacheldrahtrollen wurden durch den Aufprall nach vorne geworfen, kratzten hässlich über das Autoblech.
    Ein Scheinwerfer war erloschen, doch der Widerschein des zweiten reichte aus, um zu erkennen, dass der Bakkie die Tür aufgesprengt hatte. Leicht schräg steckte er in der Öffnung. Der Bullbar war halb über die Motorhaube gefaltet, die Karosserie vorn und am rechten Kotflügel grotesk eingedrückt. Jetzt ging auch der zweite Scheinwerfer aus. Eine anscheinend verzogene Autotür wurde mit Gewalt aufgedrückt, und Angulas Stimme rief: «Halt, stehen bleiben!»
    Als hätten die menschlichen Laute sie erweckt, löste sich endlich Clemencias Erstarrung. Sie steckte die Pistole in den Hosenbund, hastete die Leiter hinab und lief so schnell am Zaun entlang, wie es die Finsternis zuließ. Sie huschte an der Lücke vorbei bis zu dem Autowrack, an dem Angula Position bezogen hatte. Als sie in Deckung war, zog sie die Pistole. Ihr Atem ging hastig und war viel zu laut. Keuchend stieß sie hervor: «Angula?»
    Keine Antwort. Er war nicht da. Clemencia blickte über die Motorhaube zum Farmhaus hin. Das Bild des in die Tür gezwängten Bakkies hatte sich so in ihr Hirn eingegraben, dass sie ihn mit allen Details zu sehen vermeinte, doch tatsächlich waren nur schwarze Schatten im Sternenlicht zu erkennen. Nichts schien sich zu bewegen. Im Haus blieb es dunkel. Und völlig ruhig. Herrgott, dadrinnen befanden sich zwei Männer, die nichts anderes im Sinn hatten, als einander umzubringen, da musste doch …! Und wo, verflucht, steckte bloß Angula? War er in die Wüste abgehauen?
    Das Zirpen der Grillen füllte die Nacht. Ob es auch während des Tohuwabohus vorhin unverändert weitergegangen war, hätte Clemencia nicht zu sagen gewusst. Wahrscheinlich schon. Was interessierte es die Grillen in der Kalahari, ob irgendwo ein Killer mit einer Kalaschnikow vorrückte? Aber Clemencia war ein Mensch, sie war Polizistin, sie musste etwas tun. Erst einmal unbemerkt bis zum Bakkie vorstoßen! Dort würde sie weitersehen. Also, los jetzt! Clemencia zögerte. Du hast keine Angst, dachte sie, du willst nur nicht ins offene Messer laufen. Es ist bloß vernünftig, noch einen vorsichtigen Blick über die Deckung zu werfen. Vor dem Farmhaus lagen nur drohende, unförmige, regungslose Schatten.
    Natürlich hast du Angst, dachte Clemencia, weil du im Gegensatz zu den Idioten dadrinnen an deinem Leben hängst. Du wirst schön brav hierbleiben, bis sie miteinander fertig sind. Du wirst warten, ob einer lebend herauskommt, und versuchen, ihn festzunehmen, ohne dabei irgendetwas zu riskieren. Es geht nicht um Mut, sondern um simple Logik, hatte Matti Jurmela einmal gesagt. Wenn dir einer durch die Lappen geht, hast du die Chance, ihn ein anderes Mal zu erwischen. Wenn du tot bist, nicht.
    Unwillkürlich duckte Clemencia den Kopf, als die Schüsse fielen. Vier kurz hintereinander. Irgendwo tief drinnen im Haus. Trotz der Dämpfung durch die Mauern klangen sie scharf und trocken. Sie kamen sicher nicht aus einer Kalaschnikow. Eher schon aus einer Pistole. Acheson? Er hatte sich offensichtlich nicht überraschen lassen. Ein weiterer Schuss krachte, und noch einer, alle aus der gleichen Waffe, und die Kalaschnikow schwieg dazu, sodass Clemencia fast zweifelte, ob der Killer überhaupt im Haus war. Vielleicht zielte Acheson auf körperlose Phantome, auf Gegner, die nur in seinem Kopf existierten, auf die Schatten seiner eigenen Vergangenheit.
    Plötzlich schrie jemand auf, in unbändigem Schmerz, in Todesangst. Es kam nicht aus dem Haus, es klang deutlich näher. Clemencia sah dicht am Bakkie ein wildes Hin und Her toben, ohne dass sie Genaueres unterscheiden konnte. Ein kehliges Knurren mischte sich in das schrille Geschrei. Jetzt erst erkannte Clemencia Angulas verzerrte Stimme. Sie sprang hinter ihrer Deckung hoch und lief auf das Farmhaus zu. Drinnen fiel noch ein einzelner Pistolenschuss, dem eine kurze Salve antwortete. Die Kalaschnikow. Clemencia kümmerte sich nicht darum. Sie rannte, war nun nur noch ein paar Meter entfernt. Angula hing mit einem Bein an einer der Stacheldrahtrollen fest. In seine rechte Hand hatte sich der überlebende Bullterrier verbissen. Angula schrie und stöhnte und wand sich und schlug mit der freien Hand auf die

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