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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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sobald er herauskommt.»
    Aber er kam nicht heraus. Anscheinend hatte er drinnen noch zu tun. Vielleicht plünderte er Achesons Waffenschrank, vielleicht suchte er etwas. Dokumente? Beweise in Zusammenhang mit der Lubowski-Sache? Clemencia lauschte. Um ein Husten zu vernehmen, waren sie zu weit entfernt. Sie hörten gar nichts, bis die zweite Salve aus der Kalaschnikow aufbellte. Die Schüsse verhallten, und Clemencia wusste, dass sie sich geirrt hatte. Acheson hatte noch gelebt. Bis gerade eben. Dass es so lange keine Kampfgeräusche gegeben hatte, konnte nur eins bedeuten: Der Killer hatte Acheson seit dem Ende des ersten Schusswechsels in seiner Gewalt gehabt. Er hatte ihn entwaffnet oder vielleicht angeschossen. Und jetzt hatte er ihn hingerichtet.
    «Er wollte etwas von Acheson erfahren», murmelte Angula. «Er hat ihn ausgequetscht. Deswegen hat er ihn nicht gleich ermordet.»
    Angula lehnte am Rahmen des Autowracks. Die Pistole in seiner linken Hand zitterte. Er würde schießen, sobald sich etwas bewegte, doch treffen würde er nicht. Das musste Clemencia erledigen. Sie war auf einmal ganz ruhig. Während sie die Tür beobachtete, fragte sie sich, ob Acheson geredet hatte. Er hatte sich denken können, dass ihn der Killer so oder so nicht am Leben lassen würde. Andererseits, wenn Clemencia zwischen dem sicheren Tod und einer winzigen Chance, ihn zu vermeiden, wählen müsste, würde sie nicht lange zögern. Sie stellte sich vor, wie der Killer seine Fragen an Acheson richtete und dann ganz beiläufig anfügte: «Die anderen wollten nicht antworten. Es war ihre eigene Entscheidung. Genau, wie es jetzt deine ist, Acheson. Ich gebe dir fünf Minuten, und ich frage kein zweites Mal.»
    Acheson hatte geredet. Dazu musste der Killer nicht einmal versprochen haben, ihn zu verschonen. Wie Clemencia ihn einschätzte, hatte er das auch nicht getan. Sie glaubte ihn inzwischen ganz gut zu kennen, obwohl sie ihn nicht gesehen hatte. Es genügte schon zu wissen, wie er handelte. Er war ein Mann, der es nicht nötig hatte zu lügen. Er ging seinen Weg, kompromisslos, rücksichtslos gegen sich und andere. Er wusste, dass er letztlich untergehen würde, und es war ihm egal. Er hatte keine Zukunft, er hatte nur eine Aufgabe. Und die war noch nicht erledigt.
    «Behalte die Tür im Auge!», sagte Clemencia zu Angula. Sie schlich mit der Waffe in der Hand nach links, an der Außenseite des Doppelzauns entlang. Ziemlich genau nach einer halben Runde sah sie eine Leiter am Draht lehnen. Von einem Fenster an der Rückseite des Farmhauses waren die Bretter weggehebelt worden. Clemencia wandte sich um und blickte in die Weite der Kalahari hinaus. Die Sterne reichten bis zum Horizont hinab.
     
    Vor ihnen ragte der felsige Abbruch an der Westseite des Nossob-Tals auf. Sie waren querfeldein gegangen, hatten darauf geachtet, dass das Kreuz des Südens immer zur Linken stand. Sie hatten Viehzäune überwunden, sich durch Hakkiebüsche geschlagen und über den weichen Sand des Riviers gequält. Für etwa zwei Kilometer hatten sie eine halbe Ewigkeit gebraucht, und wenn er allein gewesen wäre, hätte er es gar nicht bis hierher geschafft. Aber jetzt ging es nicht mehr.
    Er hustete und ließ die Tasche, die er wie einen Rucksack über die Schultern geworfen hatte, zu Boden sinken. Der Lauf der Kalaschnikow ragte an der einen Seite heraus. Die Wunde am Oberschenkel hatte anscheinend zu bluten aufgehört. Jedenfalls war der Druckverband, den er notdürftig mit Hilfe seines Hemdes angefertigt hatte, verkrustet. In seinem Bein brannte es höllisch. Wenn er ein Messer gehabt hätte, hätte er versuchen können, die Kugel herauszuholen.
    «Stell dich nicht so an!», sagte sein Begleiter aus dem Dunkel. «Das ist nur ein harmloser Streifschuss.»
    «Es ist ein Steckschuss», widersprach er.
    «Davon stirbst du schon nicht», sagte sein Begleiter.
    «Nein?»
    «Nein.»
    «Du musst es ja wissen!», sagte er. Sein Begleiter kicherte. Ganz plötzlich war er da gewesen, drüben, am Farmhaus. Hatte ihm die Leiter gehalten, als er sich über den Zaun gemüht hatte, und war dann nicht von seiner Seite gewichen. Jedes Mal, wenn sein Bein eingeknickt war und er zu stürzen drohte, war er von ihm zum Durchhalten ermahnt worden. Sie hätten noch einiges zusammen vor. Der Job müsse schließlich zu Ende gebracht werden.
    «Du machst es dir leicht!», hatte er gestöhnt.
    Sein Begleiter hatte gesagt: «Darum geht es nicht. Und außerdem bin ich immer bei

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