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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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grober, filziger Wolle.
    Zwischen der Leiche und dem Bett stand eine halbhohe Kommode, die Acheson offensichtlich als Deckung dorthin gerückt hatte. Als weitere Vorsichtsmaßnahme hatte er einen großen Spiegel so aufgestellt, dass man von der Tür aus das Bett darin sah. Während der Killer das Spiegelglas zerschoss, wollte Acheson ihn von der Seite her erledigen. Der Trick hatte nicht funktioniert.
    Acheson war tot, die Bullterrier waren tot, Angula war verletzt und auf dem Weg zu irgendeinem Arzt, der Killer war spurlos verschwunden, und die Polizei der gesamten Omaheke-Region fahndete nach einem südafrikanischen Lastwagenfahrer namens Morgan Irgendwie, der hundertprozentig der falsche Mann war. Es war ein Desaster. Clemencia starrte auf die Fußsohlen, auf die Hornhaut über den Zehenballen. Wenn sie Acheson gestern festgenommen hätte, würde er noch leben.
    Dass der Chef getobt hatte, als sie ihn telefonisch über die Ereignisse informiert hatte, konnte Clemencia gut nachvollziehen. Sie hatte sich nicht verteidigt, hatte schweigend zur Kenntnis genommen, dass Oshivelo sich persönlich mit den Stellen in Gobabis in Verbindung setzen wollte, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Clemencia solle unverzüglich zurück nach Windhoek kommen und sich bei ihm melden. Sie war aber nicht gleich losgefahren. Sie konnte nicht. Nicht, solange Achesons Leiche noch da auf dem Dielenboden lag.
    Es nützte nichts, sich zu sagen, dass sie schließlich niemanden umgebracht hatte. Zumindest keinen Menschen. Sie überlegte, wie das bei Acheson vor zwanzig Jahren gewesen war. Ob er damals auch nur einen Blick für Anton Lubowski übrig hatte, nachdem er ihn niedergemäht hatte? Ob er vielleicht einen winzigen Moment gezögert, einen Hauch wenn schon nicht von Mitgefühl, dann wenigstens von Zweifel zugelassen hatte?
    Clemencia sagte sich, dass Acheson ein Rassist, ein Mörder, ein Schwein gewesen war und dass sich daran nichts änderte, nur weil er jetzt einem Verbrechen zum Opfer gefallen war. Denn das hatte er sich selbst zuzuschreiben. Wer Gewalt sät, erntet Gewalt, auch wenn es manchmal zwanzig Jahre dauert, bis die Saat reif ist. Was Achesons Person anbelangte, hielt sich Clemencias Mitgefühl in Grenzen. Und doch kam sie hier nicht klar, wollte weg von diesem Körper unter der grauen Decke und konnte nicht.
    Clemencia hatte schon mehr als eine Leiche gesehen, in Finnland und in Namibia, auf der Straße und in der Gerichtsmedizin, Frauen, Männer und Kinder, Erschossene, Erstochene. Ein schöner Anblick war das nie gewesen. Doch Clemencia hatte es bisher immer geschafft, die Distanz zu wahren, die ihr Job erforderte. Wieso es ausgerechnet bei Acheson anders war, verstand sie selbst nicht. Vielleicht, weil sie gestern noch mit ihm gesprochen hatte? Oder lag es daran, dass sie den Mord nicht verhindern konnte? Dass sie nicht einmal sicher war, ob sie ihn überhaupt hatte verhindern wollen?
    Clemencia musterte die Ausbuchtungen der Decke. Man hätte sich einbilden können, dass dort nur ein Haufen Kleider läge, wenn nicht die Füße wären. Wollte man sie bedecken, würde man den Kopf entblößen. Die Decke war nicht dafür gemacht, einen ausgestreckt liegenden Toten ganz zu verbergen. Und wenn man seine Knie beugte? Clemencia rührte sich nicht.
    Die Polizisten suchten draußen nach Spuren oder beaufsichtigten Achesons Arbeiter, die den Bakkie aus der Eingangstür zogen. Außer Clemencia und dem Toten befand sich niemand im Raum. Wenigstens niemand, der sichtbar gewesen wäre. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass sie mit jemandem zusammenstoßen würde, wenn sie sich bewegte. Als ob der Tod noch um sein Opfer tanzte. Er war mehr als gegenwärtig, schien in diesem Zimmer fast greifbar zu sein. Wenn er jetzt seine Finger nach Clemencia ausstreckte?
    «He!», rief sie zur Tür hin. «He!»
    Sie durfte sich nur nicht bewegen, dann würde ihr nichts geschehen.
    «He!», schrie sie noch einmal. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren! Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, hatte ein Feuergefecht mitbekommen, einen wild gewordenen Bullterrier erschossen, eine zerfleischte Hand notdürftig verarztet, einen hingerichteten Killer gefunden. Es war ganz normal, dass sie durcheinander war.
    «Was ist?», fragte einer der Polizisten, als er hereinkam. Er schien nichts zu merken, bewegte sich ganz ungezwungen, stieß natürlich mit niemandem zusammen.
    «Die Leiche muss raus», sagte Clemencia. Ihre Stimme hörte sich fremd an.
    «Aber

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