Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde des Spielers

Die Stunde des Spielers

Titel: Die Stunde des Spielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
Vom Netzwerk:
anzusehen. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass sie ihren eigenen Urlaub hier verbringen und sich mit uns nur ein paarmal zum Essen und natürlich zur Hochzeit treffen würden. Ich wäre sowieso viel zu sehr mit der Sendung beschäftigt, um eine gute Gesellschafterin abzugeben. Doch zumindest wären sie für die Zeremonie hier, und genau das wollte Mom. Die Hochzeit sollte am Samstag stattfinden, nach der Sendung. Wir hatten die Golden Memories Wedding Chapel direkt am Strip gefunden. Dort gab es ein Pauschalangebot. Die Kapelle war nicht so widerlich und dämlich wie manche, die wir uns im Internet angesehen hatten, aber immer noch furchtbar genug. Ich hatte noch nie im Leben so viel weißen Tüll an einem Ort gesehen. Meine Schwester Cheryl konnte nicht kommen - zu beschäftigt mit den Kindern, ihr Ehemann zu eingespannt in der Arbeit, und sie wollte nicht ohne ihn kommen -, doch sie beglückwünschte uns und dankte mir, dass ich mich nicht rächte und ihr ein Brautjungfernkleid aufdrängte. Die Möglichkeit war mir gar nicht in den Sinn gekommen. Das hätte eine traditionelle Hochzeit vielleicht doch erstrebenswert gemacht.
    Das Taxi bog in die Auffahrt des Hotels.
    Das Olympus Hotel und Casino war genau, was der Name besagte: ein gewaltiges Bauwerk mit sämtlichen pseudo-neoklassizistischen Schnörkeln, die man sich nur erhoffen konnte. Ein marmorner reflektierender Pool führte zum vorderen Portikus, der von hohen ionischen Säulen gesäumt war. Am hinteren Portikus ruhten herrliche Statuen in Wandnischen, um die Gäste zu begrüßen, und über den Säulen befanden sich Reliefskulpturen, die zweifellos an die Meißelarbeiten des Parthenons erinnern sollten. Doch diese Reliefs zeigten in Togen gekleidete Männer und Frauen, die an Automaten spielten und würfelten.
    Wir hatten unser Gepäck aus dem Taxi gezerrt, und ich wollte gerade hineingehen, als Ben mich an den Bordstein zog, von wo aus wir Ausblick auf die riesengroße, blinkende LCD-Anzeige-Reklametafel vor dem Hotel hatten. Auf dem Weg hierher hatte ich sie verpasst, weil wir von der Rückseite des Hotels gekommen waren.
    NUR AN EINEM ABEND
    Die MIDNIGHT HOUR LIVE,
    MIT KITTY NORVILLE
    TALKRADIO MIT BISS!
    Und da war mein lächelndes Gesicht, von blonden Haaren umrahmt. Ich hatte einen lasziven, aufreizenden Blick - perfekt für Vegas -, der den Eindruck vermittelte, dass ich wirklich gleich zubeißen wollte. Der Fotograf hatte ganze Arbeit geleistet. Es war spektakulär. Mein Name im Scheinwerferlicht, war das nicht der große Traum? Und hier war ich. Mir traten die Tränen in die Augen.
    Ben drückte meine Schulter und küsste mich aufs Haar. »Komm schon, Rockstar. Gehen wir einchecken.«
    Das Thema Altes Griechenland wurde im Innern fortgeführt. Plakate an den Wänden warben für Annehmlichkeiten wie die Dionysus-Bar und den Elysium-Fields-Spa. Es war beinahe intellektuell - wenn da nicht die breiten Marmorstufen gewesen wären, die zu einem Raum, so groß wie ein Footballfeld, voll schallender Geräusche, greller Lichter und Menschenmassen führten. Ganze Horden, in jeglicher Form, Größe, jeglichen Alters und Kleidungsstils, von Schlabbershorts und Trägeroberteilen bis hin zu eleganten Kleidern und Bundfaltenhosen. Und die Gerüche - Beton, Teppich, Alkohol, Geld, Schweiß und zu viele Menschen. Sobald man einmal die Stufen in dieses Chaos hinabgestiegen war, gab es kein Entrinnen mehr. Der Casinobereich hatte etwas von einem Labyrinth, wie die Tische und Automaten angeordnet waren und die Leute sich darum scharten. Abgesehen vom Haupteingang konnte ich keine Fluchtmöglichkeit entdecken. Hier sollte man offensichtlich nicht wissen, wo sich die Türen befanden.
    Wir mussten uns anstellen um einzuchecken, was mein Gefühl, umzingelt und von jedem Fluchtweg abgeschnitten zu sein, nur noch verstärkte. Ich klopfte mit dem Fuß auf, sah mich nervös um und streichelte Bens Hand in der Hoffnung, die Berührung würde mich beruhigen. Doch er ließ den Blick ebenfalls durch die Runde schweifen, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich.
    »Ja, klar«, antwortete er ohne Überzeugung. »Menschenaufläufe habe ich noch nie ausstehen können, aber das hier ist fast zu viel.«
    Endlich erreichten wir die Rezeption, wo ich die Empfangschefin fragte: »Ist es hier immer so voll, oder ist an diesem Wochenende etwas Besonderes los?«
    »Es ist ungewöhnlich«, sagte die Frau. »Es findet ein großer Kongress statt.

Weitere Kostenlose Bücher